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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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brauch ich einmal die Versichertenkarte Ihrer Tochter«, sagte er jetzt, wenig Gandalf-like, sondern eher geschäftsmäßig. Ui, die Karte. Die hatten wir noch gar nicht beantragt.
    » Äääh«, machte ich und sah dabei, wie müde der Doktor war. Genervt fragte er, ob ich die Kleine denn noch nicht angemeldet hätte. Als ich entgegnete, das würden die Krankenkassen doch wohl automatisch machen, lachte er mich aus. Er stellte mir eine Rechnung über einhundertfünf Euro und siebenundzwanzig Cent, soviel kostete ein Notarztbesuch in der Nacht, wenn man den privat bezahlen muss, und verließ unsere Wohnung. Maja schlief, Jonas schlief sowieso, und ich legte mich auch wieder hin.
    Wie Frau Wiese mir gestern Morgen, ein paar Stunden nach dem Besuch des Notarztes, erklärt hatte (doch, manchmal erreiche ich sie auch, vor allem, wenn ich von meinem Handy mit unterdrückter Nummer anrufe), hätte ich Maja nur leicht ins Gesicht zu pusten brauchen, damit sie wieder atmet. Bei Kindern werde durchs leichte Anpusten ein Schnappreflex ausgelöst, erläuterte sie, der sie dazu bringt, tief Luft zu holen. Dass sie ab und zu beim Trinken, vor allem nach dem Verschlucken, kurze Zeit aufhören zu atmen, sei übrigens völlig normal und kein Grund zur Besorgnis. Dabei seufzte sie wieder so komisch. Aha. Noch sechs Stunden zuvor, nämlich nachts um drei, hatte ich das aber anders gesehen.
    Wenn das hier alles so weitergeht, bin ich vor Sorge alt und grau, bevor Maja in die Schule kommt.

14

    Wir saßen in der Barbara -Bar und sahen uns tief in die Augen. Nach meinem Erstickungsanfall im Sender hatte ich mich notdürftig wieder hergerichtet, und wir waren mit meinem Golf zum Hamburger Berg gefahren. In der Kneipe war noch nichts los, aber im Hintergrund lief auf einem Fernseher Heidi, eine meiner liebsten Zeichentrickserien.
    Jonas und ich hatten beim Betreten der Bar beide ungefähr gleichzeitig gerufen: » Oh, das ist die Folge, wo sie Schnucki verliert!« und uns dann fassungslos angeschaut. Seitdem redeten wir über Kindheitserinnerungen, sangen die Titelmelodien von Sindbad, Biene Maja, Wicki und Nils Holgersson, kamen dann auf Die Drei Fragezeichen, die wir ebenfalls beide toll fanden, und als ich erzählte, dass ich eigentlich gerne mal Hörspiele sprechen oder Filme synchronisieren wollte, bekam Jonas richtige Strahle-Augen.
    Ich hatte sowieso das Gefühl, dass es mit uns weiter richtig gut lief. Ich stellte mir zwar noch keine Hochzeit mit ihm vor, aber irgendwie dachte ich schon, dass wir vielleicht sogar schon ein bisschen zusammen waren. Mona hatte gemeint, das sei doch klar wie Kloßbrühe, immerhin telefonierten wir jeden Tag, sahen uns, so oft es die Arbeit zuließ, und schickten uns » Ich vermisse dich«- beziehungsweise » Ich vermisse dich auch«-Mails.
    Es hatte sich alles gut entwickelt seit dem letzten Wochenende, als wir unseren Tag an der Alster verbracht hatten, aber es war auch schwierig zu sagen, wie viele Treffen eine Beziehung ausmachten oder wie intensiv sie nun sein sollten. So ganz sicher war ich mir jedoch nicht. Wir hatten das Wort » Beziehung« noch nicht erwähnt, und so recht traute ich mich auch nicht, es auszusprechen. Außerdem musste ich in Erfahrung bringen, welchen Stellenwert ich bei ihm hatte und ob jemand wie diese Annika-Praktikantin, die mir nicht mehr aus dem Kopf ging, mehr Chancen bei ihm hätte als ich.
    Obwohl wir uns bis jetzt gegenseitig schon viel erzählt hatten, schnitten wir das Thema » Zukunft«– von mir gewollt, von ihm vielleicht unbewusst– nicht an. Bis, ja, bis ich ihn fragte, wie ihm eigentlich sein Job so gefiele.
    » Eigentlich ganz gut«, meinte er. » Ist aber schlecht bezahlt und bringt zu viel Arbeit mit sich.«
    » Hm«, sagte ich, » ist bei mir auch so. Aber ist das nicht immer so?«, sagte ich und lachte ihn an.
    » Nee, muss nicht sein«, sagte er ernster, als ich es gemeint hatte. Dann druckste er ein bisschen herum, ihm schien irgendwas unangenehm zu sein. Ich fragte mich bloß, was? Und musste nicht lange warten.
    » Ich hab nämlich ein Angebot von einem anderen Theater bekommen, das wahrscheinlich besser zahlen würde. Dann müsste ich aber nach Zürich. Ich überlege dahin zu gehen, mich hält ja hier nichts.«
    Wie– ihn hält ja hier nichts? Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf und die Zigarette aus der Hand. Ich glotzte ihn doof an.
    » Na ja, ich hab ja keine Freundin– und ich denke auch nicht, dass sich das in der nächsten Zeit ändern

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