Wickelkontakt - Roman
daneben schlief, merkte von all dem natürlich nichts.
Während Maja sich beruhigte, tat ich das Gegenteil. Ich wurde hysterisch, wählte die Nummer der Hebamme, die ihr Handy mal wieder nicht an hatte, dann die Nummer des Kinderarztes, der merkwürdigerweise um drei Uhr früh ebenfalls nicht zu erreichen war, auf dessen Bandansage sich aber die Nummer des Notdienstes befand. Aha. Notiert, angerufen.
» Schicken Sie schnell jemanden, meine Tochter hat einen Erstickungsanfall!«, schrie ich die Frau an, die dort die Anrufe entgegennahm.
» Kind wann geboren? Wohnhaft in? Wievielter Stock?«, rasselte sie ihre Fragen runter. Ich heulte und versuchte, so standhaft wie möglich Auskunft zu geben. » Mein Baby, mein Baby«, konnte ich nur denken. Maja lag inzwischen selig lächelnd, allerdings mit Schluckauf, auf dem Bett. Ich fürchtete, dass sie jede Sekunde wieder einen Anfall kriegen konnte, und weckte Jonas, damit er sich was anzog, bevor der Arzt kam. Er guckte mich nur mit verschlafenen Augen an, deutete auf das lächelnde, hicksende Kind auf dem Bett und nuschelte: » Wieso denn Notarzt? Ihr geht’s doch super!«
Ich fing an zu schreien: » Ihr geht’s überhaupt nicht super! Sie wäre eben fast gestorben! Aber du musst ja schlafen, du kriegst ja nichts mit! Deine eigene Tochter wäre fast erstickt, hör doch mal, ihre Lunge ist ganz verschleimt, das hör ja sogar ich, sie rasselt so beim Atmen.«
Jonas schälte sich aus seiner Bettdecke. Zwar war er nicht ganz meiner Meinung, dass es sich wirklich um eine lebensbedrohliche Situation handelte, aber immerhin schaute er sich unser Kind genauer an. » Die hat doch nichts.« Er gähnte. Mit einem » Schatz, ich muss schlafen, es wird schon nichts sein«, knüllte er sich seine Decke unter den Arm und verkrümelte sich ins Wohnzimmer.
Eine Frechheit. Aber ich war viel zu sehr um mein Baby besorgt, um mich über meinen ignoranten Mann aufzuregen. Natürlich war das nicht das erste Mal, dass ich beim Notdienst anrief, aber das erste Mal, dass auch wirklich jemand kam. Bis dahin hatten sie mir zum Beispiel versichert, es sei normal, wenn das Kind auch mal länger als vier Stunden schliefe. Oder dass es beim Atmen Geräusche machte. Aber jetzt war es wirklich ernst!
Zwanzig Minuten später, also um zwanzig nach drei, kam endlich ein Arzt die Treppe herauf. Er war schon alt, dafür aber recht schnell im vierten Stock, hatte weiße Haare und weise Augen. Er erinnerte mich etwas an Gandalf, den Grauen (aus Herr der Ringe ), nur mit einem kleinen Wohlstandsbäuchlein.
Gütig legte er mir gleich die Hand auf den Arm und fragte ganz lieb erst einmal nach meinem Befinden. Ich konnte kaum sprechen vor zurückgehaltenen Tränen und ging schon mal vor ins Schlafzimmer. Hier sah es natürlich aus wie bei Familie Schwein, klar, es war ja auch mitten in der Nacht, da räum ich ja nicht noch groß auf. Maja hatte ich wieder in die Wiege gelegt, wo sie jetzt friedlich schlief. Dr. Messerschmidt beugte sich über die Reling, begutachtete das schlafende sechs Wochen alte Wesen und ließ sich zu einer ersten Diagnose herab: » Sie schläft«, stellte er fest. Ach nee, soviel wusste ich auch.
Ich erklärte dem verdutzten Mediziner, was passiert war, dass Maja offenbar Atemwegsprobleme hätte, keine Luft mehr bekommen hatte und mir fast unter den Händen weggestorben war. Ich dramatisierte etwas, damit er nicht dachte, ich hätte ihn wegen eines Schnupfens geholt. Er schrieb auf seinen Zettel: » Verdacht auf Infekt«.
Von wegen! Ich wollte ihn anschreien und konnte mich nur mühsam beherrschen. So ein Quatsch! » Verdacht auf chronische, unerkannte Atemwegsprobleme mit nahendem Kindstod« hätte da stehen müssen! Hätte ich nur Angst gehabt, dass sie einen Schnupfen hat, hätte ich wohl kaum den Notarzt gerufen.
Maja schlief indes weiter und lächelte, weil sie sich wohl unterbewusst darüber freute, im Mittelpunkt zu stehen. Sie kam ganz nach mir.
Der Arzt war mit seinem Latein am Ende.
» Jaa, also, ich kann da nichts feststellen«, sagte er, nachdem er sie weiter angeguckt hatte.
» Wollen Sie sie nicht mal untersuchen?« fragte ich etwas überrascht. Er hatte sie ja bis jetzt weder abgehört noch geröntgt oder was man sonst so macht, um bevorstehenden plötzlichen Kindstod auszuschließen.
» Da seh ich keine Notwendigkeit«, meinte er doch glatt. Na ja. Nüchtern betrachtet sah ich die ja jetzt auch nicht mehr. Aber innerlich brodelte es immer noch in mir.
» Dann
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