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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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immer.

13

    Ich fröstele, als ich auf unserem Balkon die verschneiten Terrakottatöpfe ineinanderstapele, den Aschenbecher ausleere, der im Moment nur von Jonas benutzt wird, und die längst verdorrten Margeriten aus den Balkonkästen rupfe.
    Mit weißen Wölkchen vor dem Mund fege ich noch die Blätter der Buche zusammen, die im Innenhof unseres schönen Mehrfamilienhauses steht und ihre Blätter schon vor Monaten auf unseren Balkon geworfen hat, stopfe alles in Tüten und werfe diese vor die Wohnungstür. Es werden vier volle blaue Müllsäcke. Dann stelle ich mich auf den Balkon und setze mich noch einmal der frischen Februarluft aus. Das Winterwetter tut mir gut, und dank unseres acht Quadratmeter kleinen Balkons muss ich nicht mal die vier Stockwerke runterstiefeln, um mir eine steife Hamburger Brise um die Nase wehen zu lassen. Und eine steife Brise weht heute wirklich, genauer gesagt: Es ist schweinekalt. Bibbernd gehe ich wieder rein, klebe noch schnell einen Zettel an den vorderen Müllsack mit der Aufschrift » Kommt bald weg«, und nachher werde ich Jonas erklären, dass die Tüten entsorgt werden müssen. Wie, Biomüll? Ist mir doch egal! Selbst wenn ich wollte, hier im Viertel könnte man gar keinen Müll trennen. Glaube ich zumindest. Hab mich zugegebenermaßen aber auch noch nicht erkundigt.
    Ausruhen spar ich mir, jetzt fühle mich gerade so fit. Einige Minuten betrachte ich Maja in ihrer Wiege, wie sie so daliegt und schläft. Sie ist so unheimlich süß, dass ich heulen könnte. Aber Maja anschauen und heulen steht nicht auf meinem Plan, also zum nächsten Programmpunkt: Die Hebamme anrufen. Die aber hat ihr Handy aus. Leider seufzt sie auch immer ganz laut, wenn ich sie anrufe. Wenn ich mich melde, sagt sie immer mit einem gaaaaaanz langen Seufzer: » Hallo, Frau Ahorn…«, oder sie sagt gar nichts, was mich total irritiert. Komisch. Jetzt würde ich ihr gerne erzählen, dass Maja immer so seltsam zur Seite gedreht daliegt, wenn sie schläft. Nur mal hören, was sie dazu sagt. Ob das normal ist. Und warum sie auf einmal so lange schläft. Schon länger als vier Stunden am Stück! Vielleicht ist sie krank?
    Vor einer Woche hatte Maja merkwürdige weiße Spuren am Mund, und Frau Wiese war auf meine Bitte hin auch gleich vorbeigekommen, weil ich fest davon überzeugt war, Maja hätte sich einen Pilz geholt, diesen Soor, den Kinder in unhygienischen Verhältnissen oft bekommen. Nicht, dass es bei uns dreckig wäre, aber wir vergessen schon gelegentlich, die Fläschchen ordentlich auszukochen. Wie Frau Wiese feststellte, hatte Majalein aber nur Milchreste am Mund kleben, die ich vergessen hatte wegzuwischen, und war sonst kerngesund.
    Aber wofür hat man denn eine Nachsorgehebamme, wenn die ständig ihr Handy aus hat und sich nicht um einen sorgt? Ich fange an, mich zu ärgern. Schließlich steht sie auf meinem Plan für heute. Und als ich am letzten Wochenende, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, dachte, Maja würde sterben, hatte ich sie auch nicht erreicht. Dabei wollte ich sie nur fragen, ob ich ihrer Meinung nach eher ins Krankenhaus fahren oder lieber den Notarzt anrufen sollte.
    Das war aber auch wirklich dramatisch! Beim Trinken hatte Maja offenbar einen etwas zu großen Schluck genommen, woraufhin sie sich heftig verschluckte. Dann hörte sie sekundenlang auf zu atmen. Ihre Lippen wurden blau, und sie bewegte sich nicht mehr. Ich wartete wie versteinert ab. Sie bewegte sich immer noch nicht. Und atmete nicht. Eine Angst, wie ich sie nie zuvor kennengelernt hatte, überfiel mich. Angst kannte ich nur als » Ich hab Angst, enttäuscht zu werden«, » Ich hab Angst, meinen Job zu verlieren« und » Ich hab Angst, dass mein Partner mich verlässt«– also diffuse Ängste. Was sich hier abspielte, ging mir mitten ins Herz, das war konkret, das tat weh, das trieb mir die Tränen in die Augen und die Luft aus der Lunge.
    Mehr als ihr gut zureden konnte ich aber auch nicht! Ich war hilflos, ausgeliefert. Als Mutter eine Versagerin! » Mein Schatz, atme!«, stammelte ich vor mich hin. Ich war kurz davor, sie ordentlich durchzuschütteln, damit sie wieder zu Sinnen kam, aber das durfte man natürlich nicht. Erst nach Sekunden, die mir wie Stunden vorkamen, fing Maja mit einem Japsen wieder an, Luft zu holen, schnaufte und röchelte und wurde ganz schlapp in meinen Armen. Aber wenigstens lebte sie. Gott sei Dank! Ich brach in Tränen aus, bis ich ebenfalls fast keine Luft mehr bekam. Jonas, der

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