Wickelkontakt - Roman
analysiert und dann alle meine Freundinnen wochenlang damit malträtiert, ob man das als Anmache gelten lassen konnte oder nicht.
» Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?«, eröffnete er das Gespräch, nachdem er mir die Zigarette angezündet hatte. Oha, das drohte unangenehm zu werden.
» Wieso?«, gab ich mich erst mal naiv. Heute schien er einfach mal ganz Chef zu sein.
» Du hast dir diese Woche echt heftige Patzer geleistet. Du kommst ständig zu spät, arbeitest unkonzentriert, deine Nachrichtenmeldungen sind zum Teil der größte Mist, und du versprichst dich in letzter Zeit dauernd– das machst du doch sonst nicht! Ich meine, ich sag dir das nur, um dich zu schützen… Ich hab nämlich gehört, dass Kaiser dich auf dem Kieker hat. Seit der Geschichte mit der PIN droht er ständig mit einer Abmahnung, und mit fristlosen Kündigungen ist er auch schnell dabei, da musst du echt aufpassen!«
Ach. Kaiser hatte mich auf dem Kieker? Okay, ich wusste, ich war etwas zerstreut, und die letzte Woche war in einem Jahr Volontariat nicht gerade die beste gewesen– aber dass der Programmdirektor nun offensichtlich direkt darauf wartete, mich rauszuschmeißen, das hatte ich nicht geahnt. Und mal ehrlich, die PIN zum Studio würde ich wohl nie wieder vergessen, ich träumte sogar von ihr und schreckte dann schweißgebadet auf. Nur schade, dass Kaiser offenbar nicht daran glaubte, dass ich mich noch bessern konnte. Tom hielt dagegen offenbar zu mir und versuchte ständig, mich rauszuboxen, wenn ich Scheiße gebaut hatte. Irgendwie süß. Wirklich schade, dass er… Ach ja, da war ja noch Jonas.
» Ja, hast Recht. Steh ein bisschen neben mir in letzter Zeit«, gab ich deshalb zu.
» Was ist denn los bei dir?« Es hatte ja keiner gesagt, dass Tom nicht auch ein bisschen neugierig war. Aber was sollte ich ihm erzählen? Dass ich nächtelang nicht schlafen konnte, weil ein gewisser Herr Ahorn mich total um den Verstand brachte? Dass ich einfach nur mal richtig gevögelt werden wollte? Dass mir die Frühschicht total auf den Sack ging? Wohl kaum.
» Ja, nee, weiß nicht«, druckste ich deshalb herum. Tom wartete. Und rauchte. Ich rauchte auch und überlegte, was ich ihm sagen konnte, ohne dass es für mich Konsequenzen hätte.
» Es ist nur so«, sagte ich und vermied dabei jeglichen Blickkontakt, » ich setze mich dermaßen unter Druck, hier alles richtig zu machen, dass ich dann alles genau falsch mache. Wenn ich mir vornehme, mich nicht zu versprechen, verhaspele ich mich garantiert, und wenn ich ganz tolle Nachrichten machen will, weiß ich auf einmal nicht mehr, welche Meldungen wichtig sind und welche nicht, oder wie der Satzaufbau sein soll.« Auf einmal hatte ich Tränen in den Augen. Ich fand das alles anstrengend, und es stimmte auch jedes Wort, das ich sagte. Ich versuchte wirklich, mein Bestes zu geben. Nur manchmal musste ich eben auch zwischendurch über Jonas nachdenken oder mit Mona über unser Intranet hin- und hermailen, wie jetzt in der Geschichte weiter zu verfahren wäre, so dass ich darüber manchmal die Zeit und die laufende Sendung vergaß. Wirklich oberpeinlich und unprofessionell, das wusste ja sogar ich!
Aber bisher hatte ich noch alles super gemeistert, fand ich. Für meine Verhältnisse. Für jemanden, der in der Oberstufe nur Vieren und sein Abi der » Tränennummer« zu verdanken hatte. ( » Bitte, Herr Rossow, ich brauche nur den einen Punkt!« Herr Rossow, der Physiklehrer, hatte tief geseufzt und mir das Versprechen abgenommen, niemals in meinem Leben etwas mit Physik zu machen, was ich ihm leichten Herzens gab, und hatte mir einen Punkt, also eine fünf minus, eingetragen.)
Tom schien jedenfalls schon so etwas vermutet zu haben. » Süße«, meinte er etwas gönnerhaft (wahrscheinlich wusste er doch, wie gut er aussah und dass ich ihn total heiß fand). » Mach dich nicht verrückt, du packst das schon. Setz dich nicht so unter Druck, es wird schon alles werden. Und wenn du Probleme hast, fragst du mich einfach, okay? Wir können deine Sendung für morgen jetzt auch noch mal durchgehen«, bot er an.
Es war aber nicht so, dass ich Probleme dabei hatte, die Sendung vorzubereiten! Ich wusste, wie alles lief. Nur im Studio vermasselte ich dann gelegentlich alles, da konnte er mir nun auch nicht helfen. Aber lieb, dass er fragte.
» Und mit wem gehst du eigentlich gerade ins Bett, erzähl doch mal, was so bei dir läuft, du hattest ja lange keinen Knutschfleck mehr!«, sagte er und
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