Wickelkontakt - Roman
Handzeichen. Ich ignorierte sie und schob sie in die hinterste Ecke meines Gehirns, wo sie ja auch offensichtlich hergekommen war.
Jonas und ich verabredeten, dass ich ihn sofort abholen sollte und wir zusammen zu der Party fuhren.
Gesagt, getan. Mein Gewissen rührte sich nicht mehr. Ich hatte ja auch gute Argumente vorgebracht: Ich konnte ab morgen Mittag ausschlafen, und die Sendung hatte ich gut vorbereitet. Außerdem wusste ich sowieso nicht, wer samstags von sieben bis zwölf Uhr Radio hörte. Die Leute, die ich kannte, schliefen dann jedenfalls.
Mein Outfit war okay, Deo et cetera hatte ich mit, ich erfrischte mich also notdürftig, schwang mich in meinen geliebten schrottreifen Golf und düste los– vom Schlimmsten ausgehend ( » Wir können ja Freunde bleiben«), aber das Beste hoffend ( » Willst du mich heiraten?«).
17
Kaffee macht Sophie zu einem bösen Mädchen, zu viel Kaffee macht Sophie zu einem bösen Mädchen, zu viel Kaffee macht Sophie zu einem bösen Mädchen… Kaffee, mein Lebenselixier! Die Kleine hat auf einmal Bauchschmerzen, vielleicht schießen auch die Zähnchen ein, oder der Baulärm im Haus stört sie jetzt doch, man weiß es ja nicht so genau. Maja meckert, und das lautstark. Tag und Nacht halte ich sie jetzt im Arm und frage mich, was sie bloß hat. Habe ihr alles gegen Blähungen gegeben, was es gibt, eine Standleitung zu meiner Hebamme aufgebaut und die Milchnahrung nach verschiedenen Rezepten mit krampflösenden Tropfen, Fencheltee und Milchzucker angerührt, aber nichts davon scheint Maja zu helfen: Das Kind kann einfach nicht pupsen! Sie schreit Tag und Nacht, und ich bin fix und fertig. Wie halten das bloß Mütter von zwei Kindern aus? Nicht, dass ich mein Schätzchen nicht furchtbar lieb hätte, aber sie bringt mich um den Verstand. Sie jammert und nörgelt die ganze Zeit, will keinen Schnuller, will nicht auf den Arm, hat kaum Hunger, und ich weiß nicht, wie ich ihr noch helfen kann. Der Standardspruch meiner Hebamme lautet: » Das ist ganz normal.«
Ja, kann ja sein, denke ich wütend und knalle den Hörer auf– aber für MICH ist es eben NICHT normal! Ich kann vor Müdigkeit kaum gehen oder stehen.
Wer bin ich? Wo wohne ich? Was ist das für ein Geräusch? Es ist das Telefon. Bis ich das erkannt habe, hat es aufgehört zu klingeln. Jonas ist auch noch für vier Tage auf Gastspiel gefahren, am Wiesbadener Theater kümmert er sich angeblich um ein Bühnenbild und beaufsichtigt den Aufbau vor Ort– na, wenn das mal stimmt und er sich nicht in Wirklichkeit in einem Hotel in Paris mit seiner Geliebten durch die Laken wühlt! Und ich bin die ganze Woche über alleinerziehend.
Der Gedanke an Jonas in fremden, zerwühlten Laken gefällt mir nicht. Aber Majas Geschrei gefällt mir noch weniger. Ich muss doch meinen Mann erreichen, damit ich wenigstens etwas Frust ablassen kann. Alle fünf Minuten habe ich ihn auf dem Handy angerufen, bis er es ausgestellt hat. Da! Der Beweis! Hätte er nichts zu verbergen, hätte er es ja angelassen.
Ich nehme mir noch einen Kaffee, brülle in der Küche herum und werde panisch. Meine Fingernägel sind schon bis auf den Rand abgenagt. Geduscht habe ich noch nicht, wann das letzte Mal Haare gewaschen? Er betrügt mich, er betrügt mich, hämmert es in meinem Kopf. Im Treppenhaus hämmern die Bauarbeiter. Es ist Mittwochmittag, und Jonas ist seit Montag in Wiesbaden. Ich verhalte mich wie eine erbärmliche Ehefrau und Mutter, überfordert, überreizt, übermüdet, so, wie ich nie werden wollte. Ich will nicht alleine sein! Ich sehe furchtbar aus, ich würde mich selbst betrügen, wenn ich könnte. Und mich nicht wundern, wenn mein Mann sich in Wiesbaden nach einer hübschen Assistentin umsieht, mit der er die Abende verbringen kann. Rosen und Sex hin oder her.
Maja schreit. Ich wiege sie im Arm. Noch mehr Kaffee… Wann kommt Jonas wieder?
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Seine Freunde, die ich auf der Party kennenlernte, waren supernett, alle unterhielten sich mit mir, bezogen mich in ihre Gespräche ein, und ich fühlte mich überhaupt nicht ausgeschlossen. Die Musik war gut, wurde aber vom Gemurmel und Geschnatter der Gäste in der Zweizimmerwohnung fast komplett übertönt, so dass nur ein leiser Beat die heitere Stimmung untermalte.
Leider stieß ich auch auf besagte beste Freundin Claudia, der ich bei unserem Kennenlernen im Ex-Sparr fast eine Liebeserklärung gemacht hatte. Mir war es unendlich peinlich, aber sie lachte nur, als ich mich dafür
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