Wickelkontakt - Roman
Ententeich wirft. Super Typ, der Tschastin. Aber eigentlich tut er mir leid, deshalb verzichte ich darauf, seiner immer noch desinteressierten Mutter ebenfalls ihre Tasche wegzunehmen und sie in den Teich zu werfen, ihr einen Eimer Sand ins Gesicht zu schütten oder ihr mit einer Spielzeugschaufel eins überzubraten. Deshalb schreie ich sie noch ein bisschen an, was mit: » Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein!« anfängt, und mit: » Ich glaub, ich spinne, Sie sollten sich hier mal lieber um Ihr Kind kümmern!« aufhört und gehe schnell nach Hause, bevor sie ihrerseits zu infantilen Methoden greift. Wer weiß, ob sich der Junge nicht das Verhalten von seiner Mutter abgeguckt hat…
Was ist das eigentlich für ein Phänomen, denke ich, als wir so durch den dunkler werdenden Stadtpark schieben, dass die anderen Mütter alle so anders sind als ich? Bis auf Sarah, die Mama von Oskar, habe ich noch keine Gleichgesinnten getroffen. Leider hat sie schon wieder angefangen zu arbeiten, und Oskar ist jeden Tag acht Stunden in der Kita, deswegen sehen wir uns auch nur noch selten. Ich dagegen gewöhne mich langsam daran, » nur« Mutter zu sein, und möchte meine Maus nicht länger als unbedingt nötig alleine lassen.
Nach meiner aufschlussreichen NEMO-Erfahrung und dem Babyschwimmkurs hatte ich es noch mit Babymassage, Ernährungskursen und einem Erste-Hilfe-Seminar versucht– zwar weiß ich jetzt alles über die Motorik des Babys und den Einstieg ins Brei-Zeitalter, stoße aber nirgends auf Gleichgesinnte. Bis auf die Tatsache, dass wir alle Mütter sind, haben wir einfach nicht viel gemeinsam. In den Kursen traue ich mich normalerweise nicht, mit den anderen zu sprechen. Zwar halte ich mich an alle Regeln, gebe Maja außer ihrem Mittagsbrei höchstens mal eine Dinkelstange zum Ansabbern, und immer bekommt sie zwischendurch nur Wasser (natürlich abgekocht) oder Kräutertee zu trinken, aber irgendwie finde ich weder zu den Öko-Muttis noch zu den rauchenden Teenagern richtigen Kontakt.
Vielleicht liegt es daran, dass ich beides bin, grübele ich, während der Wind einzelne Blätter um mich herumweht und ich mir meinen Schal enger um den Hals binde. Ich trinke genauso gerne Yogitee wie Bier, rauche immer noch gelegentlich, verabscheue es aber, mir auf dem Spielplatz oder generell vor Kindern eine anzuzünden. Gestillt habe ich nicht, bin aber auch nicht vehement dagegen. Häufig kann ich mich über andere Frauen auch nur wundern; Justins Mutter wird also schon vom Jugendamt beaufsichtigt, das ist ja immerhin ein Anfang.
Je mehr Mütter ich kennenlerne, desto mehr wunderliches Verhalten begegnet mir. Gleichzeitig, während ich mich mit ihnen vergleiche, kommt mir der Gedanke, dass vielleicht ich diejenige bin, die wunderlich wird. Maja fängt zum Beispiel an, alleine zu sitzen, und sie redet immer mehr vor sich hin, auch Mammam und Pappap. Und sie hat schon zwei Zähne, ich bin ja so wahnsinnig stolz! Habe hundert Fotos von ihren zwei kaum erkennbaren Schneidezähnchen gemacht, sie entwickeln lassen, das Datum dazu geschrieben und die Fotos mit einem albernen kleinen Gruß an jeden verschickt, den ich kenne. Wunderlich? Nicht in der Welt der Mütter. Da gibt es nichts, was es nicht gibt. Außer einer guten Freundin für mich.
Mit Mona hat es sich immer noch nicht wieder eingerenkt. Der Kontakt war ja schon etwas abgeflaut, als ich den Job gewechselt habe. Aber als ich schwanger wurde, war es schon fast vorbei. Und immer weniger Verbindung hatten wir miteinander, als Maja auf der Welt war. Obwohl ich mich so bemüht hatte! Und obwohl wir uns noch bei meiner Hochzeit geschworen hatten, dass wir für immer Freunde bleiben würden.
Ach ja, meine Hochzeit. Ich erinnere mich. Und der Polizist, den ich fast über den Haufen gefahren hätte, erinnert sich bestimmt auch noch. Und auch alle, die an dem Tag ferngesehen hatten. Wenigstens war meine Hochzeit im wahrsten Sinne des Wortes zu einem » unvergesslichen Ereignis« geworden.
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Noch vier Wochen und zwei Tage bis zur Hochzeit, und ich hatte a) keinen Plan, b) keine Nerven und c) viel zu viel gegessen, um noch in mein Kleid zu passen! Da waren sie wieder, meine drei Probleme. Ach herrje, nun hieß es ruhig bleiben, Diät machen, ich dachte, ich werd wahnsinnig.
Es war April, die Luft lau und mild, mit gelegentlichen Schneefällen, und wenn es nachts viel geregnet hatte, musste ich morgens mit einer Suppenkelle literweise Wasser aus meinem alten kaputten Golf schaufeln,
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