Wickelkontakt - Roman
meine Arbeit, musste ja noch eine Umfrage zum Thema » Haben Sie schon mal einen Mann mit Schnurrbart geküsst?« schneiden. Perfekt, dachte ich. Mein großer Tag wird ans Fernsehen verkauft, ich heirate, werde fantastisch aussehen und alle werden mich lieben! Andere Möglichkeiten blendete ich aus. Jetzt fehlten nur noch ein superwitziger Standesbeamter, ein eloquenter Pfarrer und eine fantastische Location für die Feier. Obwohl ich nicht der » Yes, gimme five«-Typ war, der andere abklatschte, dachte ich: » Strike«, und hüpfte pfeifend in die Schnittkabine. Ich würde meinen Auftritt und Jonas eine fabelhafte Hochzeitsüberraschung bekommen, so viel war sicher.
» Und deshalb sterben die Honigbienen in Schleswig-Holstein langsam aus«, beendete der circa hundertjährige Naturschützer vom NABU im Barmstedter Rathaussaal seinen monotonen Vortrag. Mit nur acht anderen Journalisten hatte ich diesen Termin über mich ergehen lassen müssen, Kaffee getrunken und Kekse geknabbert. Dabei hatte ich viel Wichtigeres zu tun! Meine Hochzeit musste endlich perfekt vorbeireitet werden. Ich kritzelte mir Notizen auf den Block, nickte Kameramann Ralf zu, dass wir fertig waren, und wir fuhren durch den Regen wieder zurück nach Hamburg.
Neben meiner normalen Arbeit (zum Beispiel der PK zur Krisensitzung bei den Bienenfreunden Barmstedt, einer Umfrage zum Thema » Schokoosterhasen– jetzt schon zu Weihnachten?« und ein Beitrag zum Thema » Das Mysterium des Mistelzweiges«) musste ich langsam meine Hochzeitsliste abarbeiten.
Auf meiner standen sechsunddreißig Punkte. » Termin bestimmen« war der erste, » Nicht die Nerven verlieren, JA sagen« der letzte. Dazwischen türmten sich alle möglichen Aufgaben wie Standesamt und Kirche buchen, Trauzeugen bestimmen, das Catering bestellen, Gästeliste und Sitzordnung erstellen, Brautstrauß auswählen, Ringe kaufen, Ringe nicht verlegen, Kleid und Hochzeitsanzug kaufen oder schneidern lassen, Ehegespräch mit Priester und Standesbeamten und, und, und…
Der Termin stand fest, Jonas sagte zu allem Ja und Amen, und ich war immer gespannter, wie er auf die Fernsehreportage reagieren würde, deren Star er ja sein würde. Klar fiel es mir schwer, den Mund zu halten, andererseits war ich auch ganz sicher, das Richtige zu tun. Er hatte immerhin schon ein paar Mal gesagt, dass er, obwohl er seine Arbeit hinter den Kulissen des Theaters liebte, auch gerne auch mal im Mittelpunkt stände. Das war ihm auch nicht zu verdenken. Mit seiner Band hatte er bis jetzt keine richtigen Erfolge zu feiern, und auch dass er das Video eines Auftritts bei youtube eingestellt hatte, ließ die Plattenbosse nicht gerade Schlange stehen. Da konnte ihm ein bisschen Werbung in eigener Sache, die er in meiner Reportage ja bekommen würde, nur guttun.
Als Erstes kümmerte ich mich intensiv um unsere Location.Nach einigen deprimierenden Anrufen bei Hamburger Standesämtern, die alle ausnahmslos am 5 . 5 . 05 . geschlossen sein sollten, fand ich immerhin eines, in dem die Verliebten auch an diesem Feiertag getraut werden sollten– allerdings erklärte die Standesbeamtin genervt, sie sei schon seit einem halben Jahr ausgebucht, es werde zugehen wie am Fließband, und nein, (hier fing sie fast an zu kreischen) auch fürs Fernsehen könnte sie da NICHT noch jemanden reinbuchen! Bitte? Die war ja jetzt schon total unentspannt! Dabei war es bis zum Termin ja noch ein halbes Jahr hin, und sie sollte ja nicht mal heiraten, sondern nur alle anderen trauen. Da hatte ich doch wesentlich mehr Grund, aufgeregt zu sein, vor allem da ich bisher weder Kleid noch Ort noch Standesamt oder Kirche hatte.
Hätte ich nur ein Thema und einen Ort für eine Reportage gesucht, wäre ich hier genau richtig gewesen: » Für die einen der schönste Tag im Leben– für Standesbeamtin Ursula P. ein Alptraum, der mit einem Nervenzusammenbruch endet« Herrlich, das wäre super für die Privaten. Wir könnten die Standesbeamtin am Ende des Tages filmen, wie sie schluchzend und zitternd zusammenbricht, vom Notarzt eine Spritze bekommt und immer wieder murmelt: » Dann tauschen Sie jetzt bitte die Ringe… Wir haben uns hier zusammengefunden… Sind Sie gewillt, aus freien Stücken…« Hier folgte ein ohrenbetäubendes Schluchzen: » Ich kann es nicht mehr hören… Ja, Ja, natürlich sagen alle JA und das heute im Viertelstundentakt! Und hat mich schon mal jemand, buhhuhu, ich meine, hat mich schon mal jemand gefragt?? NEIN!« Hier bricht
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