Wickelkontakt - Roman
bevor ich zur Arbeit fuhr, aber sonst war alles in Ordnung. Was? Meine Hochzeit? Ach, stimmt ja, also, es war gar nichts in Ordnung.
Ich hatte mich im Sender von allen anderen Arbeiten befreit, um mich komplett auf die Hochzeitsreportage vorzubereiten; gleichzeitig musste ich mich ja aber auch noch privat auf meine Hochzeit vorbereiten. Inzwischen hatte ich einen gutmütigen Standesbeamten in Pinneberg aufgetrieben, der extra unseretwegen seinen Vatertag opfern würde. Nachdem ich natürlich erst alle anderen Kreise um Hamburg abtelefoniert hatte, blieb uns dann doch nur die Kreisstadt übrig. Allein schon das hatte bei mir zu einem Tobsuchtsanfall geführt.
» Wer will denn in Pinneberg heiraten?«, hatte ich Jonas angeschrien, als ich ihm davon erzählte.
» Ich find’s nicht schlimm«, sagte er. Nee, klar, er kam ja auch von da. Und seine Eltern freuten sich natürlich riesig! Umso schlimmer, dass weder mein Verlobter noch unsere Verwandtschaft und auch nicht die hundert eingeladenen Gäste wussten, was ich vorhatte, nämlich, eine Reporter-Braut zu sein. Eine Braut mit Mikro und Kamerateam, die der Welt von diesem denkwürdigen Tag berichten würde. Konnte ich nur hoffen, dass Jonas sich über diese Überraschung genauso freute, wie ich es mir wünschte.
Ich schob jeden noch so leisen Zweifel beiseite und übte heimlich weiter meine Texte wie: » Die Sonne strahlt so wie die Hochzeitsgesellschaft, eine angespannte Vorfreude liegt spürbar in der Luft… Um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen, werde ich gleich mal in die Kirche zu meinem Schatz gehen und ihn fragen, wie er sich fühlt, an diesem seinem schönsten Tag. Im Moment wartet er am Altar auf mich, und ich hoffe, er freut sich dann gleich, wenn er mich in meinem Kleid sieht! Also los geht’s, wir gehen mal in die Kirche…« und dann mein Einzug mit dem Kamerateam zum Hochzeitsmarsch.
Ach genau, die Kirche. Die war wiederum in Harburg, also südlich der Elbe gut eine Autostunde vom Standesamt entfernt. Keine Chance, in Winterhude getraut zu werden, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Feiern wollten wir dann danach in der Hamburger Innenstadt an der Alster, in einem Yachtclub– das hatte zum Glück geklappt, weil Jonas jemanden kannte, der den Chef kannte, und dadurch hatten wir den Laden für den Tag bekommen. Wie wir das bezahlen sollten, darüber hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht. Aber wir würden ja hoffentlich genügend Geldgeschenke zusammenbekommen.
Mein Traumkleid hatte ich schon vor einigen Wochen gefunden, es war cremefarben, machte unglaublich schlank, hatte durchsichtige Ärmel, die an den Handgelenken mittelalterlich weit wurden und deren bestickte Säume fast bis zum Boden hingen. Das Dekolleté war mit wunderschönen Perlen bestickt, und die Schleppe war bestimmt vier Meter lang.
Inzwischen war es sogar von Größe vierzig auf achtunddreißig geändert worden, weil ich– tadaa– sechs Kilo abgenommen hatte. Wenn ich nicht aufpasste, würden wir aber bald noch ein weißes Tischtuch einnähen müssen, weil ich vor Aufregung nur am Futtern war. Chips, Nicnacs, Erdnüsse pur– ich brauchte jetzt einfach Nervennahrung.
In Gedanken ging ich noch mal meine Liste durch. Hundert Einladungen waren verschickt, samt der zweiseitigen Wegbeschreibungen, die Locations geplant, das Beratungsgespräch mit dem Pastor hatten wir schon hinter uns, dem Standesbeamten hatte ich eine Rede geschrieben, an die er sich auch bitte halten sollte, das Buffet war bestellt, die Deko hatte ich schon ausgesucht. Alles sollte mit roten Rosen und Efeu berankt werden– Rosen für die Liebe und Efeu für die Ewigkeit, so stellte ich mir das vor.
Für die Hochzeitstorte hatte ich mir etwas ganz Tolles überlegt, bei einem stadtbekannten Konditor hatte ich eine Marzipantorte in Auftrag gegeben, die Form und Farbe einer dreistöckigen rosa Villa hatte. Mit Türmchen oben drauf. Es sollte die perfekte Hochzeit werden– aber irgendwie kam dann alles durcheinander.
Eine Woche vor dem großen Tag nahm die Katastrophe ihren Lauf. Vielleicht wundern Sie sich nicht, wenn ich sage, dass ich seitdem bundesweit bekannt bin als » Die Braut, die sich was traut«. Oder vielleicht auch nur hamburgweit. Wer weiß es schon so genau.
Es fing damit an, dass ich einen Termin bei meiner Hochzeitsfriseurin hatte, um mir goldblonde Strähnchen machen zu lassen. Ich war die einzige Kundin, was bei meinen letzten Besuchen immer öfter vorkam, dachte mir aber nichts
Weitere Kostenlose Bücher