Wickelkontakt - Roman
mich schnell mit Mikro und Sender. Jonas wusste kaum, wie ihm geschah, schon war er ebenfalls verkabelt– flehend streckte ich ihm meine Hand entgegen.
» Schatz…«, ich konnte ja nicht sagen: Es ist nicht so, wie du denkst! » Schatz, alles Gute zur Hochzeit!«
Er sah mich erst verwundert an, dann schien er zu begreifen. » Was…? Wir werden gefilmt? Du hast unsere Hochzeit verkauft?«, fragte er fassungslos. » Das glaub ich ja jetzt nicht! Und du wusstest das und hast mir nichts gesagt?«
» Ich hab doch gerade versucht, dir davon zu erzählen! Ich dachte wirklich, du freust dich…«, meinte ich kleinlaut. » Es sollte eine Überraschung zum großen Tag sein!« Ich starrte auf den Boden und wühlte mit meinem eh schon schmutzbesudelten Brautschuh in einem kleinen Blätterhaufen. Tolle Überraschung! Ging wohl voll daneben. Ich wäre jetzt so gerne mit Jonas kurz verschwunden, um das in Ruhe mit ihm zu besprechen. Von allen Seiten stürmten aber nun Menschen auf uns zu– Eltern, Freunde, Kollegen– und rissen uns auseinander. Ich sah Jonas, der immerwährend den Kopf schüttelte, als würde er gerade vergeblich versuchen, aus einem Traum zu erwachen.
» Mensch, da seid ihr ja endlich, der Standesbeamte ist schon nach Hause gegangen, jemand hat sich auf den Weg gemacht, ihn zurückzuholen… Jetzt kommt mal, wir wollen doch anfangen!«, wurde von allen Seiten geschrien und gerufen. Unsere Freunde, vor allem meine ehemaligen Radiokollegen und die Freunde von Jonas, hatten sich aus lauter Langeweile die Wartezeit schon mit diversen alkoholischen Getränken, die eigentlich hinterher zum Anstoßen gedacht waren, schön getrunken. Schließlich war ja auch Vatertag, da konnten Pflicht (unsere Hochzeit) und Vergnügen (Saufen) miteinander verbunden werden. Meine Mutter fingerte in meiner Frisur herum, ich versuchte, sie abzuwehren und musste gleichzeitig noch Mona Rede und Antwort stehen.
» Wo wart ihr denn bloß?«, wollte Mona wissen, die in ihrem dunkelroten Kleid und mit einer Orchidee im Haar zum Anbeißen aussah.
Ich seufzte. » Standen im Stau. Jonas ist ziemlich sauer, glaub ich«, raunte ich ihr zu, bevor ich mich von ihr, meiner aufgeregten Mutter und der anderen Meute ins Trauzimmer schieben ließ, wo sich nun nacheinander alle Gäste wieder drängelnd einfanden.
Mona, meine Trauzeugin, saß an meiner Seite und hielt meine Hand, was Jonas weiterhin nicht tat. Ole saß neben ihm, er war verantwortlich für die Ringe.
» Liebes Brautpaar, liebe Trauzeugen, meine sehr verehrten Damen und Herren«, fing Herr Pitzek, der Standesbeamte, an und strich sich das verschwitzte Haar zurück. » Wir haben uns hier an diesem denkwürdigen Tag zusammengefunden, um zwei junge Menschen in die Ehe zu geleiten. Bevor ich diese Zeremonie kraft des mir von der Stadt Pinneberg verliehenen Amtes durchführe, möchte ich einige Worte über die Bedeutung der Ehe verlieren.« Er machte eine schöpferische Pause.
So weit, so gut. Wir waren da, wir waren angekommen, es hatte begonnen. Einige der Gäste raschelten mit ihren feinen Kleidern und machten » Schsch!« wie im Theater. Meine Mutter und sämtliche weiblichen Verwandten heulten jetzt schon und reichten sich gegenseitig Tempotaschentücher.
Mein Kleid war versaut, mein Brautstrauß sah aus wie ein Riesenphallus, ich war verkabelt und Jonas war offenbar stinksauer. Dabei hatte ich es doch wirklich nur gut gemeint! Er sollte auch mal seine fünfzehn Minuten Ruhm bekommen, von denen er so oft gesprochen hatte. Ich wollte ihm die Möglichkeit geben, auch einmal gesehen, wirklich wahrgenommen zu werden, so wie ich ihn sah, wie ich seine Seele sah. Er war mein Ein und Alles, der wunderbarste Mensch, den ich je getroffen hatte, rein und gut, so wie Menschen sein sollten. Er war fleißig, vernünftig, immer lieb, stark genug für eine egoistische Chaosfrau wie mich, und er fand immer die richtigen Worte. Mit der Hochzeitsreportage hatte ich der Welt zeigen wollen, wie stolz ich auf ihn war. Hoffentlich verstand er das nun, so wie er mich doch eigentlich immer verstand…
Hinten im Raum war eine Kamera fest installiert worden, um uns herum schwirrte Ralf, der seinen Job super machte, mir im Moment aber ein bisschen auf den Keks ging. Vor allem, als er sich vor uns auf den Boden legte und von unten filmte. Das wäre vielleicht nicht nötig gewesen… Die Gäste waren vom Fernsehteam wenig beeindruckt. Schließlich wussten ja alle, dass ich bei Hamburg Aktuell arbeitete, und
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