Wider die Unendlichkeit

interessiert.«
    »Wieso?«
    »Du weißt einiges über es.«
    »Du auch. Und der Major.«
    »Der Major ist beschäftigt. Ich arbeite draußen, so viel ich kann, gewiß – aber es gibt viel zu tun.«
    »Ich habe in der Petrofabrik eine gute Karriere vor mir.«
    »Das ist mir klar. Wir sind alle sehr stolz auf dich, mein Junge. In Hiruko voranzukommen – nicht einfach! Al-ler-dings« – er dehnte das Wort –, »ich glaube, die Erdler können das noch überbieten.«
    »Nein. Kein Interesse.«
    Petrowitsch warf Major Sánchez einen beschwörenden Blick zu.
    »Du hast ihn schon gegen die Vorstellung aufgebracht.«
    »Ganz und gar nicht.«
    »Ich bilde mir selbst eine Meinung«, empörte sich Manuel.
    »Natürlich«, meinte Petrowitsch besänftigend. »Ich mache dir ein einfaches Angebot. Wir vergessen alles über Jobs und eine Rückkehr nach Sidon – okay?«
    »Gut.«
    »Und du kommst mit mir zu einem letzten Ausflug hinaus. Wie in den alten Zeiten. Den Zeiten mit dem Colonel.«
    Manuels Lippen preßten sich zusammen. Er sagte nichts.
    Petrowitsch zögerte, wischte sich eine Schweißperle von der Stirn und fuhr fort: »Keine Jagd, nur ein Ausflug. Das ist alles. Eine Landpartie.«
    »Sieh mal, ich …« begann Manuel und unterbrach sich, den Mund offen. Plötzlich verspürte er ein Gefühl, an das er sich vage erinnerte, heftig auf ihn einstürmen, so wie ein Duft, den man über Jahrzehnte nicht gerochen, unvermittelt einen Ort, eine Zeit zurückbringt. Er blinzelte. »Ich …«
    Die beiden Männer sahen ihn prüfend an. Der Ansturm der Gefühle machte ihn benommen. So lange hatte er sie beiseite gelegt, und jetzt wallten sie frisch und übervoll auf. Er wandte sich um und sah die Bilder des Majors mit den bleichen, schlummernden, weiten Wüsten. Langsam, als überraschten ihn seine eigenen Worte, sagte er: »Das könnte mir gefallen. Si, das könnte es.«

 
     
     
Teil 6
     
ALEPH NULL

 
1.
     
     
    Sie brachen aus der Sidon-Siedlung diesmal in einem langen Schlepper auf, der sich rasselnd über die fleckige Purpurebene mahlte. Neue Kuppeln waren im Bau, und an beiden Seiten hoben sich Abfallpyramiden, Produkte der Gärungsprozesse und der Terrassenernten, die Hügelflanken empor. Neben dem Raupenschlepper kläfften und zwitscherten kleine Tiere. Gruppen von ihnen arbeiteten in der Ferne, und die dünne, frostige Luft trug das laute Rrrröörrr und das heftige Dröhnen ihrer Arbeit herüber. Er fragte sich, ob die Menschen in Hiruko recht hätten und die Tiere eine Art neuer Klasse in der Gesellschaft wären, eine neue Quelle des Mehrwerts, und doch eine weitere Quelle für den Sturz des Kapitalismus, eine weitere, leicht brodelnde Revolution. Manuel dachte an die Namen, die er sich seit Jahren nicht mehr ins Gedächtnis gerufen hatte – Short Stuff, The Barron, Slicky. An Adler hatte er viele Male gedacht, aber er reihte den Namen nicht unter die anderen ein. In dem Schlepper waren noch fünf Arbeiter aus Sidon, die draußen vor Ort tätig waren. Sie blieben unter sich, spielten Karten und schliefen während der Stunden der Fahrt. Petrowitsch redete über Siedlungsklatsch, die neuen Geldgewächse, die auf den Terrassen blühten – Luxusspeisen, ein Versuch, Guavas, Artischocken und knackige Äpfel im Schnellverfahren heranzuziehen –, über Gemeindeprobleme und Politik (das Lohnreferendum) und kam wieder zum Klatsch zurück. Praktisch bestritt er das Gespräch für beide. Manuel nickte und lächelte gelegentlich, starrte aber die meiste Zeit aus dem großen Haubenfenster des Schleppers hinaus. Die Aussicht war besser, als er in den verdreckten und verkratzten Ausgucklöchern der Fahrzeuge, die sie bei den Jagden benutzt hatten, jemals erlebt hatten. Ihr Schlepper trug ein Erdler-Emblem auf der Seite, ganz frisch und in grellem Blau-Weiß. Die Sitze im Innern hatten immer noch einige Noppen, und die Aufschriften auf der Kontrolltafel waren an den Stellen, an denen die Männer sich gegen sie lehnten, noch nicht abgeschabt. Die kleine Bordkombüse war verschmiert wie immer, aber für Manuel roch sie nicht so schlecht wie damals, als er ein Junge gewesen war. Er aß etwas Laurer, aber der schmeckte nicht so gut, wie er es in Erinnerung hatte. Er nahm an, beides lag daran, daß für einen Jungen alle Dinge übersteigert waren. In diesem Gedanken steckte etwas, das ihn beschäftigte, aber er konnte nicht sagen, was es war.
    »Schau!« rief Petrowitsch. »Europa geht auf.«
    Manuels Blick folgte der Sichel, die