Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Feste anbieten könnte«, murmelte Cuza in einem verschwörerischen Tonfall. »In der Dorfherberge wohnt ein Fremder. Ich habe heute mit ihm gesprochen. Er scheint sehr an den hiesigen Vorgängen interessiert zu sein. Zu interessiert. Heute morgen hat er mir viele Fragen gestellt.«
»Na und?«
»Nun, er ließ dabei einige seltsame Bemerkungen fallen. Nach meiner Rückkehr hierher habe ich in den alten Büchern nachgeschlagen und dabei Hinweise gefunden, die seine Ausführungen bestätigten.«
»Was für Ausführungen meinen Sie?«
»Für sich genommen spielen sie keine Rolle. Aber sie deuten darauf hin, daß er weitaus mehr über die Feste weiß, als er zugibt. Vielleicht steht er mit den Leuten in Zusammenhang, von denen das Geld für die Instandhaltung des Kastells stammt.«
Cuza zögerte, um dem Sturmbannführer Gelegenheit zum Nachdenken zu geben. Nach einigen Sekunden fügte er hin zu: »An Ihrer Stelle würde ich den Herrn morgen zu einem Gespräch hierherbitten. Vielleicht ist er bereit, unsere Fragen zu beantworten.«
Kämpffer lächelte spöttisch. »Sie sind aber nicht an mei ner Stelle, Jude! Ich bitte niemanden darum, uns einen Besuch abzustatten, und ich habe keine Lust, bis morgen zu war ten!« Er drehte sich um und gab Feldwebel Oster ein Zeichen. »Holen Sie vier meiner Leute hierher!« Und an den Professor gerichtet: »Sie begleiten uns, damit wir sicher sind, den richtigen Mann zu verhaften.«
Cuza ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. Es war ja alles so einfach gewesen.
»Ein weiterer Einwand meines Vaters besteht darin, daß du kein Jude bist«, sagte Magda. Zusammen mit Glenn saß sie im Gebüsch und beobachtete die Feste. Im Kastell brannten alle Glühbirnen.
»Er hat recht.«
»Was ist deine Religion?«
»Ich habe keine.«
»Du mußt doch mit irgendeiner geboren sein.«
Der rothaarige Mann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber wenn das stimmt, habe ich sie schon vor langer Zeit vergessen.«
»Wie kann man so etwas vergessen?«
»Das ist nicht weiter schwer.«
Magda seufzte und ärgerte sich darüber, daß Glenn ihren Fragen auswich.
»Glaubst du an Gott?«
Er drehte sich um und zeigte ein Lächeln, das die junge Frau mit Wärme erfüllte. »Ich glaube an dich. Genügt das nicht?«
Magda lehnte sich an ihn. »Doch. Es ist mehr als genug.«
Was hatte es mit diesem Mann auf sich, der ihr einerseits noch immer wie ein Fremder erschien und zu dem sie sich andererseits so sehr hingezogen fühlte? Er hatte gute Manieren und schien gebildet zu sein, und doch konnte sie sich ihn nicht mit einem Buch in der Hand vorstellen. Er strahlte Kraft aus, und trotzdem war er auch verblüffend sanft und zärtlich.
Glenn vereinte Dutzende von Widersprüchen in sich, aber das störte Magda nicht. Sie hatte in ihm den Mann gefunden, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. In seiner Gegenwart verblaßten die bunten Farben ihrer früheren Wunschträume. Sie dachte nicht mehr an ruhige Tage in Bibliotheken und Lehrinstituten, sondern an endlose Nächte heißer Leidenschaft.
Doch noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, wurde der rothaarige Mann ernst und starrte wieder zur Feste. Irgend etwas belastete ihn, höhlte ihn nach und nach innerlich aus.
»Glenn«, sagte Magda leise. »Warum bist du wirklich hier?«
Er gab keine Antwort und deutete zum Kastell. »Dort drüben geschieht etwas.«
Sie hob den Kopf und sah über den Busch hinweg. Licht fiel durchs geöffnete Tor, und in dem hellen Schein zeichneten sich sechs Gestalten ab. Eine davon saß in einem Rollstuhl.
»Wohin wird mein Vater gebracht?« fragte Magda besorgt.
»Wahrscheinlich zum Gasthaus.«
»Dann wollen sie zu mir«, sagte Magda. Ihr fiel keine andere Erklärung ein.
»Das bezweifle ich. Warum sollten sich die Deutschen von deinem Vater begleiten lassen, wenn es ihnen darum geht, dich in die Feste zurückzubringen? Nein, sie haben etwas anderes vor.«
Magda kaute auf der Unterlippe und beobachtete, wie die dunklen Gestalten die Brücke überquerten. Lichtkegel von Taschenlampen tasteten durch den Nebel. Die Männer kamen über den Pfad und marschierten nur wenige Meter entfernt am Gebüsch vorbei.
»Ich schlage vor, wir verstecken uns, bis wir wissen, was die Soldaten vorhaben«, flüsterte Magda.
»Wenn sie dich nicht finden, glauben sie vielleicht, daß du geflohen bist – und dann lassen sie ihre Wut an deinem Vater aus. Wenn sie nach dir suchen, finden sie dich ohne hin früher oder später.
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