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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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jüngere der beiden Eisernen Gardisten folgte ihr. Er hatte sie immer wieder angestarrt, neugierig darauf, was für ein Körper sich unter der weiten Kleidung verbarg. Und je weiter sie sich von Bukarest entfernt hatten, desto kühner und lüsterner waren seine Blicke geworden.
    Als sich Magda über den Rollstuhl beugte, um das Kissen zurechtzurücken, preßten sich die Hände des Soldaten auf ihren Po und glitten zwischen ihre Beine. Voller Abscheu richtete sie sich auf und wirbelte zu ihm herum. Sie widerstand der Versuchung, ihm das Gesicht zu zerkratzen.
    »Das hat dir sicher gefallen«, brummte der junge Mann, schob sich näher und schlang die Arme um Magda. »Für eine Jüdin siehst du gar nicht so übel aus. Bestimmt weißt du einen echten Mann zu schätzen.«
    Sie musterte ihn. Von einem ›echten Mann‹ konnte wohl keine Rede sein. Er war höchstens zwanzig, wahrscheinlich erst achtzehn, und auf der Oberlippe zeigte sich ein dünner Flaum.
    »Der Gepäckwagen ist nebenan. Komm mit.«
    Magdas Gesicht blieb ausdruckslos. »Nein.«
    Der Soldat gab ihr einen Stoß. »Beweg dich!«
    Magda wußte nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte. Sie mußte irgendeine Antwort geben, wollte es jedoch vermeiden, den Mann herauszufordern oder zu beleidigen.
    »Kannst du kein Mädchen finden, das dich mag?« Sie sah ihm direkt in die Augen.
    Er zwinkerte. »Davon gibt’s jede Menge.«
    »Warum hältst du dich dann mit einer Frau auf, die keine Lust auf dich hat?«
    »Nachher wirst du mir dankbar sein«, erwiderte der Soldat.
    »Hast du denn überhaupt keinen Stolz?«
    Er starrte sie einige Sekunden lang an und senkte dann den Blick. Magda fragte sich, was ihr nun bevorstand. Sie bereitete sich darauf vor, zu treten und zu schreien, wenn der Gardist versuchen sollte, sie in den Gepäckwagen zu zerren.
    Ein kurzer Ruck, dann das Quietschen von Bremsen. Der Zug wurde rasch langsamer.
    »Jetzt haben wir keine Zeit mehr«, sagte der Soldat, bück te sich und sah aus dem Fenster. »Wir sind da. Schade.«
    Gerettet, dachte Magda erleichtert.
    Der junge Gardist richtete sich wieder auf und schnitt ei ne kurze Grimasse. »Vermutlich hättest du mich den Leuten dort draußen vorgezogen.«
    Magda runzelte die Stirn und sah durchs schmierige Glas. Vier Männer standen auf dem Bahnsteig, und schon auf den ersten Blick erkannte sie die berüchtigten schwarzen Uniformen der SS.

12. Kapitel
     
    Karaburun, Türkei
    Dienstag, 29. April • 18.02 Uhr
     
    Der Rothaarige stand auf dem Deich und fühlte die letzte Wärme der untergehenden Sonne auf den Wangen. Der Schatten des Pfahls neben ihm wuchs in die Länge und reichte schon übers Wasser. Das Schwarze Meer. Ein völlig unangemessener Name. Von Schwärze gab es keine Spur – es war völlig blau. Zweistöckige Ziegelhäuser standen am Ufer, und die roten Dachpfannen schienen mit dem Glühen der Dämmerung zu verschmelzen.
    Es war nicht besonders schwer gewesen, ein Boot zu finden. In dieser Region gab es reiche Fischgründe, aber ganz gleich, wie viele gefüllte Netze die Einheimischen einholten: Sie blieben arm. Vielleicht lag es an der Lebensweise – niemand von ihnen nahm die Arbeit besonders ernst.
    Diesmal stand dem rothaarigen Mann keine schnelle Schmugglerbarkasse zur Verfügung, sondern nur ein alter Kutter mit muschelverkrustetem Rumpf. Ein besseres Schiff ließ sich nicht auftreiben.
    Carlos’ Schiff hatte ihn bis nach Silivri, das westlich von Konstantinopel lag, gebracht. Nein, verbesserte er sich in Gedanken. So heißt die Stadt nicht mehr. Sie wird jetzt Istanbul genannt. Das gegenwärtige Regime hat die Bezeichnung vor knapp zehn Jahren geändert. Ich muß mich an die neuen Namen erst noch gewöhnen. Erinnerungen … Er ging an Land, nahm seine Sachen und stieß das Boot ins Wasser zurück. Sollte es mit der Leiche seines Besitzers im Marmarameer treiben, bis es von irgendeinem Fischer gefunden wurde.
    Es folgte ein rund dreißig Kilometer langer Marsch durch das hügelige Heideland der europäischen Türkei. An der südlichen Küste fand er sofort jemanden, der bereit war, ihm ein Pferd zu verkaufen: Die unsichere politisch-militärische Lage erschütterte das Vertrauen in Papiergeld; Gold hingegen hatte seinen Wert behalten.
    Jetzt stand der Rothaarige am Ufer des Schwarzen Meeres, trommelte mit den Fingern auf seinen langen, flachen Kasten und wartete, während der Tank des Kutters gefüllt wurde. Er war versucht, an den Besitzer heranzutreten und ihn zur Eile

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