Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
wären. Es gibt keine normale Erklärung dafür, daß irgendeine Art von Dunkelheit helles Glühbirnenlicht aufsaugen kann. Ebenso ungewöhnlich erscheinen mir zwei Leichen, die durch einen Korridor marschieren. Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht ist hier tatsächlich etwas Übernatürliches am Werk.«
»Sie sind hier, um eine Lösung für das Problem zu fin den, Jude«, knurrte der Sturmbannführer.
»Oh, die ist ganz einfach. Verlassen Sie das Kastell.«
»Ausgeschlossen!«
Theodor Cuza starrte einige Sekunden lang ins Leere. »Ich glaube nicht an Vampire, meine Herren.« Er warf Magda einen warnenden Blick zu – sie wußte, daß diese Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen. »Ebensowenig an Werwölfe oder Geister. Aber mir ist schon seit vielen Jahren klar, daß dieses Gebäude etwas Besonderes ist. Schon seit Jahrhunderten ist es ein Rätsel. Es wird in einem perfekten Zustand erhalten, und doch macht niemand Eigentumsrechte geltend. Ich habe jahrelang entsprechende Nachforschungen angestellt und herauszufinden versucht, wem die Feste gehört.«
»Das wird sich bald klären«, meinte Kämpffer zuversichtlich.
» Spielen Sie damit auf die Mediterrane Bank in Zürich an? Damit vergeuden Sie nur Ihre Zeit – ich war dort. Das Geld stammt von einem Treuhandkonto, das im neunzehnten Jahrhundert eingerichtet wurde – kurz nach der Gründung der Bank. Die Kosten für die Instandhaltung des Kastells werden mit den Zinsen bestritten. Vor jener Zeit gab es eine andere Bank, vermutlich in einem anderen Land … Wissen Sie, während der letzten Generationen wurden die Bücher der Herberge im Ort nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geführt. Nun, eins steht fest: Es gibt keine Verbindung mehr zu der Person – oder den Personen –, die das Konto eröffnet hat. Das Kapital bleibt unangetastet; es werden nur die Zinsen ausgezahlt.«
Kämpffer schlug mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt! Das bringt uns nicht weiter, Jude!«
»Haben Sie ein wenig Geduld, Herr Sturmbannführer. Wo bin ich stehengeblieben? O ja. Vor drei Jahren habe ich bei der rumänischen Regierung beantragt – damals stand ihr noch König Carol vor –, die Feste zum Nationaldenkmal zu erklären und die Eigentumsrechte zu beanspruchen. Ich hoffte, durch eine Verstaatlichung den rechtmäßigen Besitzer aus der Reserve locken zu können. Leider wurde der Antrag abgelehnt. Der Dinu-Paß galt als zu entlegen und unwegsam, und da das Kastell in der rumänischen Geschichte keine Rolle spielt, konnte es nicht als nationales Denkmal klassifiziert werden. Hinzu kam, daß niemand Steuergelder für die Instandhaltung bereitstellen wollte. Warum staatliche Mittel einsetzen, solange privates Kapital das Bauwerk vor dem Verfall bewahrt? Diesen Argumenten hatte ich nichts entgegenzusetzen. Und deshalb, meine Herren, habe ich aufgegeben. Meine Krankheit zwang mich dazu, in Bukarest zu bleiben. Ich mußte mich damit zufriedengeben, alle For schungsmöglichkeiten genutzt zu haben – ohne nennenswer te Ergebnisse.«
»Was ist damit?« Wörmann deutete auf einige Schriftrollen und Bücher in der Ecke.
»Ich verstehe nicht …« Theodor Cuza hob fragend die Brauen.
»Wir haben damit begonnen, einige Wände der Feste einzureißen«, erklärte Kämpffer. »Um zu verhindern, daß sich der Mörder irgendwo verstecken kann. Irgendwann ist jeder einzelne Stein hellem Sonnenlicht ausgesetzt, und dann gibt es für den Unbekannten keine Möglichkeit mehr, sich unbemerkt heranzuschleichen.«
Der Professor zuckte mit den Schultern. »Ein guter Plan. Solange Sie dadurch nicht noch Schlimmeres heraufbeschwören.« Er nahm Kämpffers verwirrtes Zwinkern zur Kenntnis, bevor er den Kopf drehte und die alten Dokumen te betrachtete. »Woher stammen die Bücher? Es gibt hier keine Bibliothek, und die Dorfbewohner können kaum ihren eige nen Namen lesen.«
»Wir haben sie in einem Hohlraum gefunden«, sagte Wörmann.
Vater Cuza sah seine Tochter an. »Sieh nach, worum es sich handelt.«
Magda ließ sich vor den Büchern auf die Knie sinken, nahm den vertrauten muffigen Geruch von altem Papier wahr und spürte, wie eine seltsame Erregung sie erfaßte. Sie nahm einen der dicken Bände in die Hand und las den Titel: Das Buch Eibon. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Nein, das ist unmöglich, ein schlechter Witz … Rasch griff sie nach den anderen, und dabei nahm ihre Unruhe zu. Schon nach wenigen Minuten kam sie zu dem Schluß, daß es keine Fälschungen waren. Abrupt
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