Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Zimmer, trank einen Schluck aus einer Blechtasse, beugte sich dann in seinem Rollstuhl vor und starrte wieder auf die Bücher.
»Ist der heutige Morgen ein Beispiel dafür, was wir auf uns nehmen müssen, um frisches Trinkwasser zu bekommen?« fragte der greise Mann. Seine Stimme klang trocken und kratzig. »Wird meine Tochter jedesmal überfallen, wenn sie nach draußen geht?«
»Diese Angelegenheit ist bereits geregelt«, erwiderte Wörmann. »Der betreffende Mann steht unter Arrest.« Er warf Kämpffer einen Blick zu. »Der Vorfall wird sich nicht wiederholen.«
»Das hoffe ich«, brummte Theodor Cuza. »Schon unter normalen Umständen ist es schwer genug, in diesen Texten irgendwelche nützlichen Informationen zu finden. Wenn man ständig mit Bedrohungen konfrontiert wird, rebelliert der Geist.«
»Das sollte er besser nicht tun, Jude!« grollte Kämpffer. »Ich rate dem Geist, sich auf die Tugend des Gehorsams zu besinnen!«
»Ich kann mich einfach nicht richtig konzentrieren, solange ich allen Grund habe, mich um Magdas Sicherheit zu sorgen. Ist das denn so schwer zu verstehen?«
Wörmann spürte, daß die Worte des Professors in erster Linie ihm galten.
»Ich fürchte, daran läßt sich kaum etwas ändern«, sagte er. »Ihre Tochter ist die einzige Frau in einem Armeestützpunkt. Die Sache gefällt mir ebensowenig wie Ihnen, aber Frauen gehören eben nicht hierher.« Ihm fiel etwas ein, und aus den Augenwinkeln beobachtete er Kämpffer. »Nun, vielleicht gibt es eine Lösung: Wir bringen Magda in der Dorfherberge unter. Sie kann einige Bücher mitnehmen, sie dort lesen und später zurückkehren, um sich mit Ihnen zu beraten!«
»Ausgeschlossen!« warf Kämpffer ein. »Sie bleibt hier in der Feste, wo wir sie im Auge behalten können.« Er trat an den Tisch heran und blickte auf Cuza herab. »Was haben Sie herausgefunden, Jude? Was hat den Mörder in der vergangenen Nacht daran gehindert, erneut zuzuschlagen?«
»Ich verstehe nicht ganz …«
»In der letzten Nacht ist niemand gestorben«, erklärte Wörmann und musterte das Gesicht des alten Mannes. Es fiel ihm schwer, in den faltigen, pergamentartigen Zügen irgendeine Regung zu erkennen, doch die Pupillen weiteten sich kurz. Überraschung?
»Magda!« rief der Professor. »Komm her!«
Die Tür des zweiten Zimmers öffnete sich, und die junge Frau blieb auf der Schwelle stehen. Sie wirkte gefaßt, aber der Major bemerkte, daß ihre Hände leicht zitterten.
»Ja, Vater?«
»In der letzten Nacht ist niemand ums Leben gekom men!« verkündete Cuza. »Vielleicht liegt das an einer der Beschwörungen, die ich gestern abend gelesen habe.«
»Gestern abend?« wiederholte Magda. Ihre Züge verrieten einen Hauch von Verwirrung. Und auch noch etwas anderes: dumpfes Entsetzen, als sie sich an die Stunden der Dunkelheit erinnerte. Sie wechselte einen raschen Blick mit ihrem Vater, und der alte Mann deutete ein knappes Nicken an.
»Das ist ja wunderbar! Welche Beschwörung mag es gewesen sein?«
Magie? dachte Wörmann. Noch vor einigen Tagen hätte er über solche Worte gelacht, aber inzwischen hielt er alles für möglich. Es kam nur darauf an, daß die Soldaten überlebten und niemand mehr starb.
»Zeigen Sie mir die Stelle im Buch«, forderte Kämpffer. Interesse leuchtete in seinen Augen.
»Gern.« Mit betontem Ernst fügte Cuza hinzu: »Dies ist De Vermis Mysteriis von Ludwig Prinn. Ein in lateinischer Sprache verfaßtes Werk.« Er sah auf. »Ich nehme an, Sie verstehen diese Sprache, nicht wahr, Herr Sturmbannführer?«
Kämpffer preßte die Lippen aufeinander.
»Schade«, kommentierte der Professor. »Dann muß ich eben für Sie übersetzen …«
»Sie lügen, Jude!« stieß der SS-Offizier hervor. »Sie versuchen, uns etwas vorzumachen.«
Aber Cuza ließ sich nicht einschüchtern, und Wörmann bewunderte seinen Mut. »Die Lösung für Ihr Problem ist irgendwo dort drin enthalten!« entgegnete er voller Leidenschaft und deutete auf die Bücher. »Die vergangene Nacht beweist es. Ich weiß noch immer nicht, was hinter den bisherigen Todesfällen steckt, aber mit ein wenig Zeit, Ruhe und weniger Störungen finde ich es bestimmt heraus. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, meine Herren.«
Er rückte sich die Brille zurecht und zog einen der dicken Bände näher heran. Wörmann verbarg ein Lächeln, als er Kämpffers hilflose Wut bemerkte. Er kam einer zornigen Erwiderung des Sturmbannführers zuvor.
»Ich halte es für besser, wenn wir den
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