Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
des Rothaarigen wirkten gut geplant, und doch handelte er nur aus einem Reflex heraus. Als der mit dem Schnurrbart zustoßen wollte, riß er ihm das Gewehr aus der Hand, drehte es um und schmetterte den Kolben gegen den Unterkiefer des Gardisten. Eine kurze Neigung der Waffe – und der Kehlkopf des Gegners barst. Unmittelbar darauf drehte sich der rothaarige Mann um und sah, daß der andere Soldat auf ihn zielen wollte. Er zögerte nicht, trat einen Schritt vor und rammte seinem Gegner das spitze Bajonett in die Brust. Mit einem dumpfen Röcheln sank der jüngere Gardist zu Boden.
    Gleichgültig betrachtete der Rothaarige die Szene. Der mit dem Schnurrbart lebte noch, aber er rang bereits mit dem Tode. Er krümmte sich, und sein Gesicht lief blau an. Die Hände tasteten nach der Kehle; ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchte der Sterbende, nach Luft zu schnappen.
    Der Rothaarige spürte weder Bedauern noch Mitleid. Der Tod von zwei Angehörigen der Eisernen Garde stellte sicher keinen großen Verlust für die Welt dar.
    Als er sich wieder den Geldgürtel umgebunden hatte, lag der alte Soldat genauso ruhig wie der andere Mann da. Der Rothaarige versteckte die Leichen und Gewehre zwischen den Felsen am nördlichen Hang, schwang sich in den Sattel und ritt weiter.
    Zur Feste.
     
    Magda wanderte unruhig in ihrem kleinen, vom Kerzenschein erhellten Herbergszimmer umher und rieb sich die kalten Hände. Sie blieb mehrmals am Fenster stehen. Die Nacht war dunkel, noch finsterer als die letzte. Hohe Wolken zogen von Süden heran und schluckten das Licht der Sterne und des Mondes.
    Die Schwärze jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken, und das Gefühl, völlig allein zu sein, machte alles nur noch schlimmer.
    Ihr Fenster wies nach Norden und bot daher einen ungehinderten Blick auf das Kastell. Genau aus diesem Grund hatte sie dieses Zimmer gewählt.
    Der Wirt Iuliu begegnete ihr mit einer Freundlichkeit, die fast an Demut grenzte. Sein Verhalten verwunderte Magda. Sie kannte ihn von ihren vorherigen Aufenthalten in diesem Dorf; er war schon immer zuvorkommend gewesen, aber jetzt las er ihr praktisch jeden Wunsch von den Lippen ab.
    Sie beobachtete die düstere Feste und bemerkte ein kleines, helles Rechteck in der ersten Turmetage – das Zimmer ihres Vaters. Nichts bewegte sich dort; wahrscheinlich war er allein. Magda wußte, daß sie ihm die Verbannung aus der Feste verdankte, doch ihr Ärger ließ rasch nach und wich wachsender Besorgnis.
    Die junge Frau seufzte, wandte sich vom Fenster ab und betrachtete die grob verputzten Wände des Zimmers. Ein kleiner Raum, der nur einen schmalen Schrank enthielt, eine Kommode, über der ein Spiegel mit schräggeschliffenen Kanten hing, einen dreibeinigen Stuhl und ein großes, viel zu weiches Bett. Magdas Mandoline lag unbeachtet auf dem Bett, und das Buch – Cultes des Goules – hatte Magda in einer Schublade der Kommode verstaut. Sie hatte nicht die Absicht, sich damit zu beschäftigen.
    Sie grübelte eine Zeitlang, gab sich schließlich einen Ruck und beschloß, nach draußen zu gehen. Sie blies zwei Kerzen aus, ließ jedoch die dritte brennen, um nicht in ein völlig dunkles Zimmer zurückkehren zu müssen. Sie fürchtete die Finsternis nach den gräßlichen Erlebnissen in der vergangenen Nacht.
    Langsam ging sie die Treppe hinunter ins Erdgeschoß. Der Wirt saß auf der untersten Stufe und schnitzte geistesabwesend an einem Stück Holz.
    »Stimmt was nicht, Iuliu?«
    Er zuckte zusammen, als er Magdas Stimme vernahm, und sah kurz auf.
    »Ihr Vater … Ist er wohlauf?«
    »Als ich ging, war alles in Ordnung. Warum fragen Sie?«
    Iuliu legte das Messer beiseite und schlug die Hände vors Gesicht. »Es ist meine Schuld, daß Sie beide hierhergebracht wurden«, platzte es aus ihm heraus. »Oh, ich schäme mich so sehr … Ich hatte solche Angst. Die Deutschen wollten alles über die Feste wissen, und ich konnte ihre Fragen nicht beantworten. Dann fiel mir Ihr Vater ein, der sich mit dem Kastell gut auskennt. Wenn mir klar gewesen wäre, wie krank er inzwischen ist … Es … es blieb mir gar nichts anderes übrig, als ihnen alles zu sagen. Die Männer in den schwarzen Uniformen haben mich geschlagen …«
    Magda spürte einen Anflug von Ärger. Iuliu hatte kein Recht gehabt, den Sturmbannführer und seine Folterknechte auf Vater hinzuweisen. Doch ihr Zorn legte sich sofort wieder. Unter ähnlichen Umständen wäre auch ich kaum mutig genug gewesen zu schweigen.

Weitere Kostenlose Bücher