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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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unterziehen. Er war mindestens so sehr für sie wie für sich hier. Das musste Liebe sein.
    Weil er eigentlich nicht hier sein wollte.
    Das Gebäude war ganz annehmbar. Mit der Fassade aus Stahl und Granit und der Art-déco-Lobby war es sogar ganz eindrucksvoll. Aber sobald man einmal über die Lobby hinaus war, waren alle zwanzig Stockwerke komplett renoviert und mit Medizintechnik vom Feinsten vollgestopft.
    Trotzdem fühlte er sich durch das alles kein wenig besser. Er hasste es, wie eine Laborratte erforscht, studiert, untersucht und behandelt zu werden. Das war zwar alles noch nicht passiert, aber es würde kommen. Er konnte es spüren. Er hatte eine Verzichtserklärung auf Schadenersatzansprüche unterschrieben, sich einverstanden erklärt, hier zu schlafen und sich für die Dauer des Testens in den Gebäuden der Stiftung aufzuhalten, um die Variablen klein zu halten, die durch äußere Einflüsse auftreten konnten.
    Er seufzte. Welche Wahl blieb ihm auch?
    Alan wollte es wissen – für Sylvia, für die Welt, aber in erster Linie für sich. Weil die Gabe etwas mit ihm machte. Er wusste nicht genau, was, aber er wusste, er war nicht mehr die gleiche Person wie damals im Frühjahr, als er damit angefangen hatte. Axfords Ergebnisse würden ihm vielleicht nicht gefallen, aber zumindest würde er Bescheid wissen, und vielleicht würde ihm das Wissen helfen, eine gewisse Kontrolle über sein Leben zurückzugewinnen. Er hatte in letzter Zeit verdammt wenig Kontrolle darüber.
     
    Die Digitalanzeige der Schreibtischuhr zeigte 7:12, als Axford wiederkam.
    »Sind Sie nun bereit?«, fragte er auf seine arrogante Art.
    »Ich weiß es erst genau, wenn ich es versuche.«
    »Dann lassen Sie es uns versuchen. Ihretwegen machen meine Sekretärin und ein paar andere Überstunden. Ich hoffe doch, dass Sie uns nicht enttäuschen.«
    Axford führte ihn zum Aufzug und dann in den entgegengesetzten Flügel des Gebäudes, wobei er die ganze Zeit redete.
    »Ein Mann, der für Sie nur Mr K. sein wird, hat sich einverstanden erklärt, sich von Ihnen ›untersuchen‹ zu lassen. Er weiß nichts über Sie – er hat nie von Ihnen gehört, kennt Ihr Gesicht nicht aus der Zeitung, weiß nichts von Ihnen außer der Tatsache, dass Sie ein weiterer Arzt sind, der ihn untersuchen wird und vielleicht etwas zu seiner Therapie beiträgt.«
    »Kommt ziemlich nahe an die Wahrheit heran, nicht?«
    Axford nickte. »Ich lüge Leute nicht an, die hierher in Behandlung kommen.«
    »Aber Sie versuchen auch, jeden Hinweis auf einen Placeboeffekt zu vermeiden.«
    »Verdammt richtig. Und wir haben im Zimmer Mikrofone und Kameras installiert, und wir werden Sie über Video beobachten, um sicherzugehen, dass Sie nicht versuchen, ihn für ein Wunder zu begeistern.«
    Alan musste lächeln. »Es freut mich, dass Sie alle Möglichkeiten ausschalten. Wie lautet die Diagnose?«
    »Adenokarzinom an der Lunge, mit Metastasen bis ins Gehirn.«
    Alan zuckte zusammen. »Und was wurde bislang versucht?«
    »Es ist eine ziemlich komplizierte Geschichte – und da sind wir auch schon.« Er legte die Hand auf den Türgriff. »Ich werde Sie jetzt vorstellen und Sie dann mit ihm allein lassen. Von da an sind Sie auf sich gestellt. Aber vergessen Sie nicht – ich werde Sie auf dem Monitor beobachten und Ihnen zuhören.«
    Alan verbeugte sich: »Ja, Big Brother.«
     
    Mr K. war groß, sehr dünn, und totenblass. Aber seine Augen leuchteten. Er saß mit nacktem Oberkörper und hängenden Schultern auf dem Untersuchungstisch und zeigte mehr Lücken als Zähne, wenn er lächelte. An der Kehle oberhalb des Brustbeinausschnitts hatte er eine mehrere Zentimeter große Narbe, die zwei oder drei Monate alt war – Mediastinografie – kein Zweifel. Alan bemerkte auch die knorrigen Geschwülste oberhalb des rechten Schlüsselbeins – von metastasiertem Krebs angeschwollene Lymphknoten. Mr K. keuchte manchmal beim Sprechen und hustete ununterbrochen.
    »Welche Art von Arzt sind Sie?«
    »So etwas Ähnliches wie ein Therapeut. Wie fühlen Sie sich?«
    »Nicht schlecht für einen lebenden Leichnam.«
    Die Antwort verwirrte Alan. So lässig und exakt.
    »Wie bitte?«
    »Hat man es Ihnen nicht gesagt? Ich habe Lungenkrebs, und es geht bis zum Kopf.«
    »Aber es gibt Strahlentherapie, Chemotherapie –«
    »Da scheiß ich drauf! Keine Todesstrahlen, keine Gifte! Ich will als Mann von der Bühne abtreten und nicht als kotzender Schwächling.«
    »Was machen Sie dann hier in der

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