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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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jemanden untersucht habe – HNO, Herz, Lunge, Blutdruck und so weiter. Dann habe ich etwas gefunden, wünschte, dass es weggeht« – er zuckte mit den Schultern – »und weg war es.«
    Charles sah das Funkeln in Bulmers Augen, und ihm wurde zum ersten Mal bewusst, dass dieser Mann ein wirklicher Heiler war, ob mit oder ohne Gabe. Charles kannte viele Ärzte, die ihren Beruf gern ausüben – die Ursache eines Problems herausfinden und es dann beseitigen. Bulmer war auch so, aber Charles begann allmählich auch noch etwas anderes in ihm zu sehen, eine fast mystische Dimension. Bulmer wollte heilen . Nicht nur einfach eine Krankheit ausmerzen, sondern eine Person wieder ganz machen, und es machte ihn verdammt noch mal glücklich, wenn ihm das gelang. Das Erste konnte man lernen; zu dem Zweiten musste man geboren sein.
    Und verdammt, er fing an, diesen Mann zu mögen.
    »Müssen Sie die Diagnose kennen?«
    »Ich weiß es nicht. Normalerweise kenne ich sie, weil ich mit ihnen spreche und sie untersuche.« Er hob eine Augenbraue, als er Charles ansah. »Eben wie ein richtiger Arzt.«
    »Spüren Sie etwas, wenn es geschieht?«
    »Oh ja.« Seine Augen bekamen einen abwesenden Ausdruck. »Ich habe niemals Haschisch oder Kokain genommen, aber so ähnlich muss das sein.«
    »Ist das gut?«
    »Großartig.«
    »Und die Patienten? Bekommen die alle Anfalle?«
    »Nein. Mr K. hatte vermutlich einen Anfall, weil ganz plötzlich die Metastasen in seinem Hirn verschwunden waren und dadurch irgendwas ausgelöst wurde. Viele scheinen einen kurzen Schmerz im betroffenen Organ zu spüren, aber er ist der Einzige, der einen Anfall hatte. Warum dieses plötzliche Interesse?«
    Charles ging wieder zur Tür und sah nicht zurück. »Einfach nur Neugierde.«
     
    Da es Sonntagabend war und keine Assistenten mehr erreichbar waren, hatte er das EEG-Gerät selbst in Bulmers Zimmer gebracht und angeschlossen. Das war auch gut so. Er wollte jetzt keine Zuschauer haben. Die Elektroden waren an seiner Kopfhaut angebracht und die Telemetriebox war angeschlossen. Charles legte den Schalter um und startete die Aufzeichnung.
    Er sah prüfend auf die Uhr: 21:05. Die Flut sollte um 21:32 kommen. Die Stunde der Macht hatte begonnen, und es war für Charles Zeit, die schwierigste Aufgabe seines Lebens zu bewältigen.
    »Ich will Sie jemandem vorstellen«,, sagte er zu Bulmer.
    Er ging zur Tür und bedeutete Julie, die draußen wartete, einzutreten.
    »Dr. Bulmer«, sagte er, als sie das Zimmer betrat. »Ich möchte Sie mit meiner Tochter Julie bekannt machen.«
    Ein verwirrter Ausdruck zog über Bulmers Gesicht, aber dann ging er auf Julie zu, lächelte und gab ihr die Hand.
    »Hallo, Miss Axford!«, sagte er mit einer Verbeugung. »Treten Sie näher.«
    Julie warf Charles einen unsicheren Blick zu, aber er lächelte auch und winkte sie herein. Er hatte ihr erzählt, dass der Mann Drähte am Kopf haben würde, aber sonst nichts anderes, als dass sie jemanden kennenlernen sollte, den er kannte. Er konnte es nicht über sich bringen, mehr zu sagen, wollte nicht den leisesten Hoffnungsschimmer in ihr aufkeimen lassen, wo er schon selbst kaum zu hoffen wagte.
    Bulmer machte viel Wirbel um Julie. Er setzte sie auf seinen Stuhl und fand eine Cola für sie im Kühlschrank.
    »Aber ich darf nur fünfzig Milliliter haben«, belehrte sie ihn.
    Er machte eine Pause und nickte dann. »Dann wirst du auch nicht mehr bekommen.«
    Er stellte ihr den Fernseher an, und als ihre Aufmerksamkeit von einer Sitcom gefesselt war, wandte er sich an Charles.
    »Wann ist ihre nächste Dialyse?«
    Charles war einen Moment sprachlos. »Hat Sylvia Ihnen etwas erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht einmal, dass Sie Vater sind. Ich sah, wie blass sie ist, die Ringe um ihre Augen, und dann sah ich zufällig den Shunt, als der Ärmel hochrutschte. Möchten Sie mir mehr darüber sagen?«
    Charles fasste die Geschichte kurz zusammen – chronische atrophische Nierenbeckenentzündung aufgrund einer angeborenen Harnleiteratresie, Schrumpfblase, Abweisung von Fremdorganen, hohe zytotoxische Antikörpertiter.
    »Armes Kind«, sagte Bulmer, und in seinen Augen lag wirkliches Mitgefühl. Aber es schien nicht nur Julie zu gelten.
    »Warum sehen Sie mich so an?«, fragte Charles.
    Bulmer tippte mit einem Finger an seine Stirn. »Ich kann mir vorstellen, was es Sie da oben gekostet haben muss, sie zu mir zu bringen.«
    Er ging zu Julie, unterhielt sich mit ihr und zog ihr Interesse

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