Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
morgen Mittag wieder.«
Sylvia riss sich los. »Weißt du, wer ich bin, du … du Lakai ?«
»Nein. Und es ist mir auch egal. Gehen Sie!«
Sylvia musste es ihm zugestehen – er behielt die Nerven. Aber seine Fassade wurde schon brüchig.
»Ruf den Senator an!«, schrie sie, als er sie von hinten an den Schultern griff und sie wieder zur Tür schob. »Er wird dir sagen, wer ich bin!«
Es war nun Zeit, ihre Trumpfkarte auszuspielen. Sie entschlüpfte ihm und lehnte sich über den Tresen seines Arbeitsplatzes. Dahinter war eine große Schalttafel mit grünen und roten Lämpchen. Nur die grünen leuchteten beständig. Sie tat so, als könne sie sich nicht mehr auf den Beinen halten.
»Mir ist schlecht!«
»Aber nicht hier!« Er zog sie weg und schob sie sanft zu einer in der Nähe stehenden Bank. »Setzen Sie sich. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.« Er griff nach ihrem Scotchglas. »Sie haben davon sowieso schon zu viel getrunken.«
» Fass das Glas nicht an! Hol mir nur Wasser.«
Als er zum Wasserspender ging, holte Sylvia tief Luft. Bis jetzt war alles gut gelaufen. Sie blickte kurz auf ihre Uhr.
Es wurde Zeit.
Sie stand wieder auf und torkelte zum Sicherheitsterminal.
»Hey! Bleiben Sie da weg!«, rief der Wachmann, als er mit dem Wasser wiederkam.
»Sie ham ja recht«, sagte Sylvia und hielt ihr Glas Scotch hoch. »Ich brauche nicht noch mehr von dem Zeugs.« Sie stellte das Glas betont vorsichtig auf der marmornen Ablage direkt über der Schalttafel ab und stieß dann wie zufällig mit dem Ellbogen dagegen, als sie sich umdrehte, um wieder zur Bank zu torkeln.
Der Schrei des Wachmanns »Scheiße, nein!« übertönte das Klirren von zerbrechendem Glas, gefolgt von einem Chor von Knallen und Zischen aus der Elektrik. Dabei stieg vom Bedienungsfeld ein beißender weißer Qualm empor, als der zwölf Jahre alte Scotch in die Schaltkreise lief.
Als die Alarmsirenen und Klingeln aufjaulten, stöhnte Sylvia. »Oooh, mir ist ja so schlecht!«
Der kleine Greifhaken aus Aluminium war beim dritten Versuch am Sims vor einem dunklen Fenster im ersten Stock hängengeblieben. Ba zog sich an dem Nylonseil hoch, bis er das Sims erreichte. Er wiederholte den Vorgang bei dem direkt darüber liegenden Fenster.
Weiter wollte er nicht an der Außenseite hochklettern. Dr. Axford hatte gesagt, die Verwaltungsräume würden sich in der zweiten Etage befinden. Wie Ba gehofft hatte, waren sie zu dieser Zeit verlassen, und es gab kein Anzeichen dafür, dass die Fenster an das Alarmsystem gekoppelt waren. Ein kurzes Aufflackern seiner Taschenlampe enthüllte, dass der Boden im Raum mit Teppichboden ausgelegt war. Gut. Er zog den Beutel zum Sims, holte Dr. Axfords Laborkittel heraus und wickelte ihn um seine rechte Hand. Dann wandte er sein Gesicht ab und schlug das Fenster ein. Das Glas zersprang, und die Splitter fielen auf den Teppich, dann war es wieder ruhig.
Ba arretierte den Haken am Fensterrahmen und wartete, bereit sich abzuseilen, falls jemand von den Geräuschen angelockt worden war und nachschauen wollte. Niemand zeigte sich, und er stieg ein. Er zog den Kittel über, der ihm viel zu kurz war, und wartete, bis es kam: eine Kakafonie von Schrillen und Jaulen. Es hörte sich an, als sei jeder Alarm im Gebäude gleichzeitig ausgelöst worden.
Ba überprüfte seine Uhr: 21:32. Er verbeugte sich respektvoll vor der Missus. Sie war wirklich die Tochter Ihres Vaters. Sie war genauso einfallsreich wie mitfühlend. Er trat in den verlassenen Korridor und lief zur Notfalltreppe neben der Aufzugsnische. Er befand sich in der zweiten Etage; die privaten Räume des Senators waren auf der zwanzigsten.
Er begann zu klettern.
Er atmete schwer, als er oben ankam. Er hielt an und ruhte sich einen Moment aus, während er durch das klei ne Fenster peilte. Hier gab es nur eine Aufzugtür, und man brauchte zweifellos einen Schlüssel, um so weit zu kommen. Er überprüfte das Schnappschloss an der Tür. Es war unverschlossen. Eine Warnung ging ihm durch den Kopf. Es wäre sinnlos, eine Tür zur Feuertreppe abzuschließen, aber wenn der Senator so auf Sicherheit bedacht war, wie Dr. Axford sagte, war diese Tür sicherlich an die Alarmanlage angeschlossen. Das Sicherheitssystem lag jedoch zurzeit brach, sodass er die Tür getrost öffnen und sich umsehen konnte, ob es außer dem Aufzug noch einen anderen möglichen Zutritt zur obersten Etage gab.
Er ging zur Nische und folgte dann einem kurzen Flur bis zu einer Doppeltür, die fest
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