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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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den Kopf an und rollte den Mann auf die Seite, damit Alan die Wunde untersuchen konnte. Der entdeckte sofort die klaffende, fünf Zentimeter lange Platzwunde im rechten unteren Teil des Hinterkopfs. Er wünschte, er hätte ein Taschentuch parat, während er mit der bloßen Hand die Wunde abdrückte. Warmes Blut rann gegen seine Handfläche, als er versuchte, die breiten Ränder der Wunde mit seinen Fingern zusammenzupressen.
    In diesem Moment passierte es: Das prickelnde Gefühl der Ekstase und Euphorie begann dort, wo seine Hand die Wunde bedeckte, stieg seinen Arm hoch und verbreitete sich durch seinen Körper. Er schauderte. Cunningham zuckte ebenfalls, als sich seine Augen flackernd öffneten.
    Alan nahm die Hand weg und schaute nach der Wunde. Angst, Erstaunen und Zweifel durchfuhren ihn, als er die Kopfhaut sah. Die Wunde hatte sich geschlossen; nur eine kleine unregelmäßige Schramme war geblieben.
    Ba beugte sich vor und sah auf die Wunde. Jählings ließ er Cunningham los und sprang auf die Füße. Für einen Moment schien der über Alan aufragende Riese zu wanken, als ob ihm schwindelig wäre. Alan sah Bestürzung und Staunen in seinen großen dunklen Augen … und noch etwas: Alan war sich nicht sicher, aber er glaubte Erkennen zu sehen. Dann wandte sich Ba den Gästen zu, die sich nach vorn drängten.
    »Zurück bitte! Bitte zurück!«
    Sylvia kam nach vorn und kauerte sich neben Alan. Das verbitterte Lächeln war verschwunden und hatte echter Sorge Platz gemacht. Axford war hinter ihr, blieb aber etwas abseits stehen und musterte misstrauisch die Situation.
    »Geht es ihm gut?«
    Alan fehlten die Worte. Er wusste, dass er albern aussehen musste, wie er so da kniete, mit offenem Mund und dem Blut eines anderen Mannes, das in seiner Handfläche gerann, aber er bekam einfach keine Worte heraus. Er konnte nicht anders, als auf Cunninghams Hinterkopf zu starren.
    »Natürlich geht es mir gut!«, sagte Cunningham und stand auf. Er schien kein bisschen benommen. Alle Anzeichen von Trunkenheit waren verschwunden.
    »Aber das Blut!« Sie sah auf Alans Hand.
    »Kopfwunden bluten immer besonders stark – auch kleine«, brachte Alan heraus, dann sah er Axford hilfesuchend an. »Stimmt’s?«
    Er beobachtete Axfords Augen, die von den Spritzern quer über den Kaminsims bis zu der Pfütze auf dem Boden wanderten.
    Er zögerte, zuckte dann mit den Schultern. »Stimmt. Das ist verflucht noch mal so.«
     
    Die Party löste sich allmählich auf, und Ba war froh darüber. Es gefiel ihm nicht, wenn so viele Fremde im Haus waren. Für die Missus war es zweifellos nur eine Party wie jede andere, aber für Ba war es eine Offenbarung.
    Dat-tay-vao.
    Während er in der Haustür stand und den Wagen des Doktors die Einfahrt hinunterrollen sah, hallte dieses Wort in seinem Kopf und wiederholte sich unendliche Male.
    Dat-tay-vao.
    Dr. Bulmer hatte es.
    Aber wie? Das war nicht möglich!
    Trotzdem ließ sich nicht leugnen, was er heute Abend gesehen hatte: das spritzende Blut, die offene Wunde – durch die Berührung des Arztes gestoppt und geschlossen. Bei dem Anblick waren seine Beine schwach und wacklig geworden.
    Wie lange hatte er das Dat-tay-vao schon?
    Sicher noch nicht so lange, denn Ba hatte die Überraschung auf dem Gesicht des Arztes gesehen, als die Wunde unter seiner Hand heilte. Wenn doch nur …
    Bas Gedanken sprangen über die Jahre zurück zu der Zeit, als seine geliebte Nhung Thi mit Krebs dahinsiechte, der ihre Lunge befallen und sich dann im ihrem ganzen Körper ausgebreitet hatte. Er erinnerte sich, wie Dr. Bulmer immer wieder zu ihr gekommen war während der endlosen Qual, den Tagen, die wie Jahre erschienen, den Monaten, die wie Äonen gewesen waren, während ihr Körper vom Krebs zerfressen wurde. Viele Ärzte hatten damals Nhung Thi behandelt, aber für Ba und seine Frau wurde Dr. Bulmer Der Doktor.
    Wenn er nur damals das Dat-tay-vao gehabt hätte!
    Aber natürlich hatte er nicht. Er war damals ein gewöhnlicher Arzt gewesen. Aber jetzt …
    Ba verspürte plötzlich in seinem Herzen eine Angst um den Doktor, denn all die Geschichten über das Dat-tay-vao deuteten darauf hin, dass ein Gleichgewicht eingehalten werden musste. Es gab immer ein Gleichgewicht …
    Und einen Preis, der bezahlt werden musste.
     
    Ich kann es!, dachte Alan, als er nach Hause fuhr.
    Es bestand kein Zweifel mehr, dass er jetzt eine Art von heilender Gabe besaß. Das Vorkommnis am heutigen Abend war der Beweis. Cunninghams Kopfhaut

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