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Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung

Titel: Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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hatte sie von ihrem bösen Tun abgelassen und war in den Schoß der Kirche zurückgekehrt.
    Sie wünschte, Carol würde auch dorthin zurückfinden. Der Gedanke, dass ihre einzige Nichte der katholischen Kirche den Rücken gekehrt hatte, betrübte sie. Sie gab Jim die Schuld daran. Carol sagte, Jim sei dafür nicht verantwortlich. Sie sagte, die Kirche gebe ihr einfach nichts mehr. Jeder schien heutzutage nur daran zu denken, was ihm etwas ›gab‹. Aber sahen diese Leute denn nicht, dass die Kirche, Gottes Werkzeug auf dieser Welt, über allem stand und dass es überhaupt nicht darauf ankam, ob sie einem etwas ›gab‹?
    Nein, diese Formulierung klang ganz nach Jim. Der Mann war ein unverbesserlicher Skeptiker. Die Kirche lehrte, dass niemand von der Gnade ausgeschlossen werden würde, aber Grace war sich sicher, dass Jim die Grenzen dieser Gnade austesten wollte. Sie konnte nur hoffen, dass er dabei Carols Seele nicht unwiederbringlich in Gefahr gebracht hatte.
    Aber Carol schien mit ihm glücklich zu sein – glücklicher, als sie es seit dem Tod ihrer Eltern je gewesen war. Und wenn man einen anderen Menschen glücklich machte, wog das vieles wieder auf.
    Vielleicht gab es noch Hoffnung für Jim. Grace nahm sich vor, für die Seelen der beiden zu beten.
    Sie sorgte sich um Seelen. Vor allem um ihr eigenes Seelenheil. Sie wusste, dass sie, bevor sie mit Ende Zwanzig wieder in den Schoß der Kirche zurückgefunden hatte, ihre Seele fast unrettbar beschmutzt hatte. Seitdem hatte sie daran gearbeitet, sie zu reinigen, indem sie Buße und gute Werke tat und um Vergebung flehte.
    Vergebung zu finden war am Schwersten. Sie hatte mehrfach eine Generalabsolution von verschiedenen durchreisenden Bischöfen bekommen, aber sie fragte sich, ob das auch in ihrem Fall nützte, ob wirklich das eingetreten war, um was sie gebetet hatte. Ob die Sünden ihrer Vergangenheit tatsächlich von ihr genommen waren. Es waren so viele! Sie hatte in jungen Jahren die schlimmsten aller Sünden begangen, schreckliche Sünden, an die sie gar nicht denken mochte, scheußliche Dinge, für die sie sich so sehr schämte, dass sie nie darüber hatte sprechen können, nicht einmal mit einem Priester, nicht einmal im Beichtstuhl. Die vielen Leben, die sie beendet hatte! Sie war sich sicher – sie wusste es einfach –, wenn jemand in der Kirche von den Dingen erfahren würde, die sie in ihrer Jugend getan hatte, dann würde sie sicherlich exkommuniziert.
    Und eine Exkommunikation wäre ihr Tod. Die Kirche war jetzt ihre einzige Quelle des Friedens.
    Grace sah auf die Uhr neben ihrem Bett – die Zeiger hatten die Form von Händen, die zum Gebet gefaltet waren – und bemerkte, dass sie zu spät zur Chorprobe kommen würde, wenn sie sich nicht beeilte. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Es war ein so erhebendes Gefühl, den Herrn in einem Lied zu preisen.
     
    4.
     
    »Sie haben es mit dem Knoblauch heute aber sehr gut gemeint«, sagte Jim, während er seine Linguine in der sämigen, goldfarbenen Muschelsauce aufrollte.
    Sie hatten Amalias vor einem Jahr entdeckt, ein winziges Restaurant an der Hester Street, einer Querstraße der Mullberry Street, wo die Kellner sich nicht daran störten, dass Jim mit Vorliebe den Fleischgang vor der Pasta aß. Bei Amalias saßen alle Gäste zusammen an langen Tischen mit rot-weiß karierten Tischdecken. Heute hatten die beiden jedoch eine Ecke ganz für sich allein.
    »Das ist so lecker«, sagte er. »Bist du sicher, dass du nicht wenigstens einen Bissen probieren willst?«
    Carol schüttelte den Kopf, »Iss nur auf.«
    Seine Augen waren ein bisschen blutunterlaufen und sie ahnte den Grund. Sie hatten beide einen Cocktail vorm Essen getrunken und währenddessen Wein. Carol hatte nur ein Gläschen Soave zu dem wenigen getrunken, was sie von ihrer Pasta angerührt hatte, aber jetzt, wo sie mit dem Essen fast fertig waren, stand eine leere Soave- und eine fast leere Chianti-Flasche auf dem Tisch.
    »Kaum zu glauben, dass ich schließlich doch noch meinen Vater gefunden habe«, sagte er. »Und nächste Woche erfahre ich wahrscheinlich auch, wer meine Mutter ist. Ist das klasse, oder was?«
    Carol reichte mit ihrer Serviette über den Tisch und wischte Jim etwas von der Buttersauce vom Kinn, und dachte, wie sehr sie diesen erwachsenen Mann doch liebte, fast so sehr wie den kleinen verlorenen Jungen in ihm, der immer noch nach seiner Ma und seinem Pa suchte.
    Er nahm ihre Hand und küsste ihre Finger.
    »Womit

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