Widersacher-Zyklus 04 - Erweckung
wollte.
»Ich meine«, fügte sie erklärend hinzu, »Menschen können uns von einem Tag auf den anderen verlassen.«
Maureen zog ein Tempo aus der Tasche und betupfte sich die Augen, dann sah sie Catherine an.
»Vielleicht könnten wir ja …«
»Maureen!«
»Ich meine es ernst, Cathy. Lass mich mit Donald reden. Lass uns die Sache noch einmal durchdenken. Es muss doch etwas geben, was wir tun können, statt ihn einfach in einem Pflegeheim abzuladen.«
»Du kannst dir die Sache überlegen, Mo. Und du kannst auch mit Donald reden. Was Tom dazu sagen würde, weiß ich bereits.«
In Carols Augen war das jetzt eine gute Gelegenheit, das Treffen zu beenden. Wenigstens eine der beiden Schwestern war in ihrem Entschluss unsicher geworden.
Sie zögern, Mr Dodd! Ich kriege Sie schon wieder bei Ihrer Familie unter!
Nachdem sie gegangen waren, ließ sie sich in ihren Stuhl zurücksacken. Wenn sie sich körperlich nicht so schlecht fühlen würde, hätte sie diesen Augenblick jetzt genossen. Diese Träume – Nacht für Nacht, all das Blut und die Gewalt, der Schmerz und das Leid. Nicht ganz so plastisch wie Montagnacht, aber sie wachte noch immer schweißgebadet auf, zitterte vor Angst und klammerte sich an Jim. Sie konnte sich nach den Träumen nicht mehr an Einzelheiten erinnern, nur an den allgemeinen Eindruck. Und die Erinnerungen an das Geschehen in Greenwich Village machte das alles nicht besser.
Ihr Magen brachte das Fass dann zum Überlaufen. Sie hatte ständig Sodbrennen. In einem Moment war sie wie ausgehungert, aber wenn sie dann etwas essen wollte, wurde ihr von dem Geruch und dem Anblick schlecht. Wenn sie es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen …
Guter Gott! Bin ich vielleicht schwanger?
Sie rannte zu den Fahrstühlen. Beide Kabinen waren unten im Keller, also nahm sie die Treppe nach oben. Im ersten Stock hastete sie den Korridor zum Labor entlang.
»Maggie!« Sie war froh, dass jemand, den sie kannte, Wochenenddienst hatte. Maggie hatte krause rote Haare und ein Gesicht wie eine Gans, aber ein freundliches Lächeln.
»Carol! Was machst du denn am Sonntag hier?«
»Ich brauche einen Test.«
»Was für einen?«
»Äh … einen Schwangerschaftstest.«
»Bist du überfällig?«
»Meine Tage kommen immer unregelmäßig, wie soll ich da sagen, ob ich überfällig bin?«
Maggie sah sie von der Seite an: »Ist das jetzt ein ›Oh Gott, hoffentlich bin ich nicht …‹ oder ein ›Bitte lass mich schwanger sein!‹?«
»Ich will! Bitte, bitte, ich will !«
»Na ja, eigentlich geht das ja nur auf ärztliche Veranlassung, aber schließlich ist heute Sonntag, wer soll das schon merken?« Sie reichte Carol einen in Plastikfolie eingeschweißten Becher. »Ich brauche eine Urinprobe und kümmere mich dann darum.«
Carol zögerte und kämpfte gegen die freudige Erwartung an. Sie durfte sich keine Hoffnung machen. Der Test war ein zweischneidiges Schwert – wenn sie ihre Hoffnungen zu hoch schraubte, würde sie sich bei einem negativen Bescheid nur noch schlechter fühlen.
Mit pochendem Herzen steuerte sie auf die mit ›Damen‹ beschriftete Tür zu.
4.
Er war so frustriert, dass er beinahe gegen die Wände getreten hätte, weil es ihm nicht gelungen war, den Safe zu öffnen. Jim wandte seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu. Es war nach fünf, als er Hanleys persönliche Notizbücher alle aus der oberen Bibliothek in ein Extra-Regal in der unteren Bibliothek geschafft und sortiert hatte. Es waren graue, ledergebundene Bände mit Jahreszahlen auf dem Rücken. Einer für jedes Jahr, angefangen mit 1920. Der letzte Band war von 1967. In der Mitte ließ er eine Lücke für die Bände, die dazwischen fehlten.
»Den Band für dieses Jahr hatte er wohl bei sich, als das Flugzeug abgestürzt ist. Aber wo sind die anderen vier?«
»Keine Ahnung, Mann«, sagte Gerry Becker und stellte sich neben ihn. »Wir haben jedes Regal im ganzen Haus abgesucht.«
Jim nickte. Er hatte viele der Notizbücher überflogen. Sie enthielten Zusammenfassungen von Hanleys Projekten, seinen Plänen für die Zukunft und tagtägliche Kommentare und Beobachtungen zu seinem Privatleben. Ein unschätzbarer Einblick in das Leben seines Vaters.
Aber wo waren die Bände 1939,1940,1941 und 1942? Die vier wichtigsten Jahre – die drei Jahre vor und das Jahr seiner Geburt, die Bände, die wahrscheinlich den Namen seiner Mutter enthielten – sie fehlten.
Es war zum Haare raufen.
»Vielleicht sind sie in dem Safe.«
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