Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
sich und ertastete den abgeschrägten Sockel der Stehlampe. Irgendwas hatte sie umgestoßen. Ein Windstoß, oder …?
In plötzlicher Angst rappelte Sylvia sich wieder hoch und tastete nach der Lampe neben Jeffys Bett, fand den Schalter und betätigte ihn.
Licht. Gott sei Dank, Licht.
Sie schielte zum Fenster hinüber. Der Popelkäfer war noch immer allein da am Gitter und versuchte, sich durch die Maschen zu quetschen. Es sah auch so aus, als mache er dabei Fortschritte. Ein Teil von ihm schien schon durchgequollen zu sein …
Der Magen sank ihr in die Kniekehle, als sie die zerrissenen Drahtenden im Gitter sah. Das Insekt sickerte nicht durch die Maschen, es quetschte sich durch ein Loch. Sie hechtete zum Fenster und schlug den Fensterflügel zu. Dann rannte sie um das Bett herum und schloss den Flügel auf der anderen Seite.
Aber die Frage war immer noch: War etwas hereingekommen?
Sie blieb reglos stehen und lauschte erneut. Kein Surren mehr. Sie entspannte sich. Sie war rechtzeitig gekommen – gerade noch rechtzeitig! Aber es gab noch weitere Räume, die gesichert werden mussten. Bevor sie sich daran machte, stellte sie noch die umgefallene Lampe wieder auf …
… und starrte sie entsetzt an. Der Lampenschirm war zerfetzt, als habe sich ein verspielter Welpe eine Stunde damit vergnügt. Sie ließ die Lampe fallen und drehte sich im Kreis. Sie hatte vor Angst eine Gänsehaut. Nichts bewegte sich, nichts summte. Aber die Tür war offen, und wenn etwas hereingekommen war, konnte es in den Rest des Hauses gelangen, wenn sie sie nicht sofort schloss.
Sie bewegte sich langsam gleitend, so vorsichtig wie möglich auf die Tür zu. Ihr Herz pochte wie wild. Sie wusste, falls einer dieser Kaukäfer sie jetzt angriff, würde sie in Panik geraten und wild schreiend losrennen.
Sie hatte es fast geschafft. Noch ungefähr zwei Meter und sie war in Sicherheit. Sie durfte nur nicht die Nerven verlieren und …
Sylvia hörte es, bevor sie es sah. Ein wildes Surren von der anderen Seite des Bettes, ein Rattern wie ein Maschinengewehr, als Hunderte spitzer Zähne aufeinandertrafen, die irre in die Luft bissen, dann ein Schatten, der über das Bett hinweg auf ihr Gesicht zuschoss. Sie duckte sich, aber nicht schnell genug. Das Insekt verfing sich in ihrem Haar und riss ihren Kopf herum. Ein brennender Schmerz stieß durch ihre Kopfhaut. Sie spürte, wie eine Haarsträhne mitsamt Wurzeln ausgerissen wurde, als die Kreatur sich freistrampelte und durch den Raum segelte. Sie ging in die Hocke und blickte hinter dem Wesen her. In diesem Moment hörte sie wieder ein Surren, diesmal hinter sich, und warf sich zur Seite. Ein zweiter Kaukäfer schoss an ihrem Ohr vorbei. Seine Zähne klickten erschreckend nahe.
Es waren zwei!
Sie drehte sich im Kreis, fühlte, wie etwas Weiches gegen ihre Schenkel drückte, dann fiel sie rückwärts auf das Bett. Das irre Rattern gewann an Tempo und die schrille Harmonie des Surrens wurde lauter, als die Insekten gemeinsam angriffen. Sylvia griff sich Jeffys Kissen und benutzte es als Schutzschild. Der Aufprall der beiden Kreaturen stieß sie in einem Federschauer nach hinten. Sie spürte ihr Zappeln, als die sich in das Kissen fraßen. Sie drehte es um und presste das Kissen auf Jeffys Bettdecke.
»Erwischt!« Ihr Aufschrei klang furchtbar schrill, voller Hysterie.
Sie sah zur offenen Tür hin. Da die Dinger sich im Augenblick nicht rühren konnten, konnte sie es schaffen. Aber gerade, als sie den Druck auf das Kissen vermindern wollte, stieß ein Paar zahnbewehrter Kiefer durch den Bezug und schnappte nach ihr. Sie schrie auf und stürzte zur Tür, rutschte auf den Federn aus und krabbelte auf Händen und Knien, bis sie an der Tür ankam. Sie rollte sich hindurch, griff nach der Klinke und zog die Tür gerade zu, als die beiden Kaukäfer über ihr durch den Spalt schossen und zum Erdgeschoss wegtauchten.
»Nein!«
Noch bevor sie außer Sicht waren, hörte sie Alans wütenden Aufschrei aus der Küche. Sie sprang auf die Füße, lief die Treppe hinunter und traf ihn und Ba in der Eingangshalle. Ba mit dem Beil in der Hand sah aus wie ein wahnsinniger asiatischer Küchenchef.
Alan sah sie entgeistert an.
»Sylvia, was ist passiert?«
»Wieso?« Sie berührte die schmerzende Stelle auf ihrem Kopf. Ihre Finger waren plötzlich feucht und rot. Mit dem Haar musste auch etwas Haut ausgerissen worden sein. »Zwei von diesen Viechern waren oben – in Jeffys Zimmer. Sie sind entkommen und nach
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