Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
Priester.
»Nein. Sie ist jenseits unserer Reichweite. Vielleicht könnte ein Hubschrauber …« Er seufzte. »Aber bitte, setzen Sie sich doch alle wieder und lassen Sie mich ausreden. Vielleicht hat es etwas Gutes, dass das jetzt passiert ist. Es ist kein Zufall, dass das vor meinem Fenster geschehen ist. Trotzdem wird es Ihnen schwerfallen, das zu glauben, was ich Ihnen erzählen werde. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie mir zu einem früheren Zeitpunkt geglaubt hätten. Aber die Ereignisse der letzten zwei Tage – das bodenlose Loch im Central Park, die Verwüstungen, die die erste Welle der Nachtgestalten in der letzten Nacht angerichtet haben, die unglückliche Frau da draußen –, ich hoffe, das hat Ihren Skeptizismus etwas gemildert. Es ist wichtig, dass Sie mir glauben, denn unser Überleben, das Überleben des größten Teils der menschlichen Rasse, hängt von dem ab, was wir von heute an unternehmen werden. Und damit Sie vernünftig handeln und Ihre Aufgabe bewältigen können, müssen Sie wissen, womit Sie es zu tun haben.«
Alan sah sich im Raum um. Im Hintergrund hörte Ba aufmerksam zu, aber dieser Jack sah aus, als sei ihm das alles nicht neu. Rechts von ihm zeigte Sylvia ihr übliches das-sollte-jetzt-aber-wirklich-wichtig-sein-Gesicht. Pater Ryan stand mit abwesendem Blick hinter dem Sofa. Alan hatte den Eindruck, dass auch er bereits wusste, was Glaeken zu sagen hatte. Auf der anderen Seite des Sofas war Carols Miene ein Spiegelbild von der des Priesters, während Hank offenkundig skeptisch war.
Dann begann Glaeken zu erzählen. Er sprach von zwei sich bekriegenden Mächten, die hinter dem Schirm der menschlichen Realität existierten – alterslos, unsterblich, unerbittlich, nebulös, von unvorstellbaren Ausmaßen. Eine stand der Menschheit feindselig gegenüber und nährte sich von Angst und Laster; die andere war ein Verbündeter – kein Freund, kein Beschützer oder Wächter, sondern ein Verbündeter aus Zufall, einfach, weil sie im Widerstreit mit der anderen Macht stand. Er erzählte von dem endlosen Kampf zwischen diesen Mächten, der über die Galaxien hinweg ausgetragen wurde, über die Dimensionen, sogar über die Zeit hinweg; von dem Menschen namens Rasalom, der sich vor Urzeiten der bösartigen Macht angeschlossen hatte, und von dem anderen, ebenso alten Mann, dem es auferlegt war, die Fahne der dagegen stehenden Macht hochzuhalten. Und jetzt ging diese Äonen währende Schlacht zu Ende und nur noch eine Armee stand auf dem Feld. Der Ausgang hing von der kleinen Gruppe von Menschen ab, die in diesem Raum versammelt waren. Wenn sie nicht eine Gegenarmee auf die Beine stellen konnten, war alles verloren.
Gefühlsmäßig glaubte Alan Glaeken – tief in sich spürte er die Wahrheit dessen, was er sagte. Vielleicht war auch das ein Effekt seiner Verbundenheit mit dem Dat-Tay-Vao.
Aber sein Verstand rebellierte dagegen.
Das sollte alles sein? Das Überleben der Menschheit hing von den paar Menschen ab, die hier versammelt waren?
Er hoffte, der alte Mann habe den Verstand verloren. Denn wenn es nicht so war, dann waren sie alle dem Untergang geweiht.
»Warum sind wir für diese … diese Mächte so wichtig?«, brach es aus ihm hervor.
Glaeken zuckte die Achseln. »Es ist fast unmöglich, die Motivationen solcher Entitäten zu ergründen, aber die lange Erfahrung hat mich gelehrt, zu vermuten, dass wir nicht den geringsten strategischen Nutzen für eine der Seiten haben. Um uns wird gekämpft, weil es uns gibt. Wir sind ein Spielstein auf ihrem Spielbrett. Um das Spiel zu gewinnen, muss man die meisten Steine besitzen – vielleicht alle Steine.«
»Aber warum dann …?«
»Ich glaube, die Seite, die ich die Andersheit nenne, braucht uns. Sie ist das Gegenteil von allem, was unserem Leben einen Sinn gibt, was unser Leben lebenswert macht. Sie nährt sich von dem Schlimmsten in uns, existiert durch die Qualen und den Schmerz, den wir uns gegenseitig zufügen. Vielleicht gewinnt sie an Stärke durch derart negative Gefühle. Oder vielleicht sind wir auch nur ein simpler Appetithappen. Auf jeden Fall ist sie hier, um sich von uns zu nähren.«
»Und diese andere Macht«, Sylvia beugte sich vor, »die will uns beschützen?«
»Nicht uns als Menschen an sich. Die verbündete Macht schert sich keinen Deut um unser Wohlergehen. In Vorzeiten hat sie ihren Anspruch auf uns angemeldet und will uns einfach in ihrer Sammlung behalten. Zumindest war das so. Die Andersheit braucht uns und
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