Wie angelt man sich einen Daemon
schaltete einen Gang herunter, so dass sich der Lotus um hundertachtzig Grad drehte und Richtung Norden zeigte. Dann brauste ich wieder auf die Straße hinaus. Ich sah Nadia an. »Was meinen Sie damit?« Mir war aufgefallen, dass sie sich am Türrahmen festgehalten hatte, während ich drehte. Dieser Anblick war recht befriedigend gewesen. Zumindest war es mir gelungen, dieser Frau einen kleinen Schrecken einzujagen.
»Nach einer ziemlich langen Auszeit sind Sie wieder dabei, und ich muss sagen, dass Sie einen verdammt guten Job machen. Sie scheinen mir diese Stadt mehr oder weniger perfekt im Griff zu haben.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, hakte ich überrascht nach.
Sie ließ ihren Kopf kreisen, und ich konnte das Knacken der Halswirbel hören. Sie seufzte. »Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Ich habe mich erkundigt.«
»Bei wem? Sie leben doch schon seit vielen Jahren im Untergrund. Die Forza weiß nicht einmal mehr, dass es Sie noch gibt!«
»Ich habe Freunde«, erwiderte sie geheimnisvoll. »Und was mein Leben betrifft – so bin ich recht zufrieden damit. So ein Leben bedeutet Freiheit.« Sie wandte sich mir zu und schlug ein Bein unter, so dass sie sich darauf setzen konnte. »Geben Sie es zu, Crowe. Ihnen fehlt doch etwas. Oder etwa nicht? Sie wären lieber auch nicht gebunden. Sie möchten die Welt sehen. Erfahrungen sammeln.«
Ihre Worte trafen mich. Auf einmal musste ich an meine Jugend denken. An jene Zeit, als ich auf einem Kontinent aufwachte, aber auf einem anderen zu Bett ging.
Ich dachte eine Weile darüber nach. Dann fielen mir meine Kinder ein.
»Sie können mir glauben«, sagte ich. »Ich sammle genügend Erfahrungen.«
»Dann würden Sie das hier alles nicht aufgeben wollen? Würden Sie nicht viel lieber wieder in Ihr altes Leben zurückkehren?«
»Nein, für nichts in der Welt«, entgegnete ich. »Obwohl…« Ich beugte mich vor und tätschelte das Armaturenbrett des Lotus. »Wenn ich wüsste, wie man einen Kindersitz in einem Lotus anbringt, würde ich mir auf der Stelle einen anschaffen.«
»Wo ist Nadia?«, fragte Allie am Samstagmorgen, als sie den Kühlschrank öffnete und gründlich begutachtete, was sich darin befand. »Ich habe eigentlich gehofft, dass wir heute Vormittag noch einmal Messerwerfen üben könnten.«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete ich. »Ganz ehrlich.« Nadia hatte zwar verkündet, dass sie sich David vorknöpfen wolle, aber ernst hatte ich sie eigentlich nicht genommen. Die Frau mochte hart sein. Doch ob sie so weit gehen würde? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Trotzdem…
Ich warf einen Blick auf unser Telefon. Vielleicht sollte ich David besser anrufen. Nur um ganz sicherzugehen. Ein rascher Anruf konnte doch meinen Vorsatz nicht umwerfen, ihn nicht wiederzusehen. Und außerdem…
»Mutter? Hallo?«
»Sorry«, murmelte ich und verschob den Anruf erst einmal. »Was gibt’s?«
»Ich habe mit dir geredet, und du hast überhaupt nicht zugehört!«
»Ich habe nicht genug geschlafen«, erklärte ich, was der Wahrheit entsprach. Nadia und ich waren erst gegen zwei Uhr nachts nach Hause zurückgekehrt. Sie hatte mich vor unserer Haustür abgesetzt und war davongefahren. Wir hatten vereinbart, dass sie bei ihrer Rückkehr den Schlüssel benutzen würde, den ich unter der Aloe-Vera-Pflanze neben der Eingangstür für sie deponierte. Aber offenbar war sie die ganze Nacht über nicht erschienen.
»Und?«
Ich schüttelte den Kopf. Wieder wurde ich von meiner Tochter aus meinen Überlegungen gerissen. Wie üblich folgte bei ihr ein wildes Augenrollen.
»Wenn Nadia nicht da ist, kannst du dann mit mir üben? Wir könnten doch auch im Garten Messerwerfen trainieren. Oder?«
Unser Garten war noch immer der einzige Ort, wo wir üben konnten. David hatte bisher keine Räumlichkeit in der Stadt aufgetrieben. Ich versuchte, nicht daran zu denken, wie traurig es mich stimmte, dass er das jetzt vielleicht auch nie tun würde.
»Stuart ist heute zu Hause«, sagte ich. »Er hat Nadias Abwesenheit genutzt, um zur Abwechslung einmal in seinem Arbeitszimmer zu bleiben.«
»Echt? Wow… Seltsam.«
Ich musste ihr zustimmen. Es war wirklich seltsam, dass Stuart an einem Samstagvormittag zu Hause blieb. Seit seine Kampagne angezogen hatte, war er die meisten Wochenenden in seinem Büro verschwunden. Persönlich hielt ich das für ziemlich bedauerlich. Offensichtlich hatte das Leben, das ich so sehr liebte, auch ein paar Schattenseiten, die mir gar
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