Wie ausgewechselt
erstmals seit 1977 wieder in den Europacup eingezogen und haben die erste Runde überstanden. Alle haben sich gefragt: Was ist denn da los? Das hat es ja noch nie gegeben. Doch Rudi hatte beste Drähte in die Mannschaft hinein, speziell zu den Führungsspielern. Er war so nah dran, die Jungs nahmen ihn ins Vertrauen. Youri Mulder etwa meinte: ›Manager, bei diesem Trainer ist es egal, ob er da draußen selbst steht oder ein Besenstil. Wir machen das allein.‹ Ab diesem Moment war Berger nicht mehr zu halten. Und dann zog Assauer diesen in Deutschland völlig unbekannten Stevens aus dem Hut. Nur Experten wussten damals: Als Spieler war er Verteidiger, dreimal Meister mit Eindhoven, sogar UEFA-Cup-Sieger und Nationalspieler. Aber als Trainer ein unbeschriebenes Blatt. Ich muss sagen: Das war eine von Rudis besten Entscheidungen, wirklich sehr mutig.«
»Bei einem Saunagang zündete ich mir eine Zigarre an und fragte mich: Wer soll der Nachfolger von Jörg Berger werden? Was für einen Typ Coach brauchen wir? Die deutschen Trainer, die auf dem Markt waren, konntest du vergessen. Da fiel mir dieser kauzige Holländer wieder ein. Ich habe mich noch mal informiert. Die Auskünfte bestärkten mich. Das Führungszeugnis war auch in Ordnung, keine Vorstrafen. Dann habe ich aus der Sauna Rodas Vorsitzenden Theo Pickée angerufen. Er ahnte noch nichts und fragte: ›Worum geht’s, Herr Assauer?‹ Nach einem einstündigen Telefonat hatte ich alles geregelt. Mir war klar: Huub kommt.«
Fehlte nur noch das entscheidende Telefonat mit dem Niederländer. Assauer ruft an. Mailbox. »Im Auto habe ich die Ansage abgehört« , erzählt Stevens, »diese ganz tiefe Stimme werde ich nie vergessen: ›Ruf mich zurück, wenn du Interesse hast, Trainer bei Schalke zu werden. Tschüss!‹ Einmalig. Ich rief zurück, wir vereinbarten ein persönliches Gespräch am nächsten Tag bei mir in Oirsbeek. Heimlich natürlich. Ich wollte nicht, dass wir erkannt werden, dass unser Geheimtreffen auffliegt. Ich erklärte ihm den Weg, und wir machten aus, dass ich an der Autobahnausfahrt warten würde. Daher bat ich ihn: kein übermäßig auffälliges Auto! Und was macht Assauer? Er kommt mit seinem Dienstwagen, auf dem Rückfenster ein riesiger Schalke-Aufkleber. Ich fluchte vor mich hin, fuhr hupend an dem Wagen vorbei und dann vor ihm her bis zu mir nach Hause. Dort parkte er sein Auto in der Einfahrt, jeder konnte es sehen. Ich schüttelte nur den Kopf. Im Gespräch aber hat mich Rudi mit seiner direkten, offenen und ehrlichen Art überzeugt. Dass er mich als Nobody, als Verlierer der ersten UEFA-Cup-Runde geholt hat, dazu gehörte viel Mut. Ich sagte zu.«
Nach zähen Verhandlungen mit der Führungsspitze von Roda unterschreibt Stevens schließlich und kommt – allerdings zu spät. Am 9. Oktober, seinem ersten Arbeitstag auf Schalke, gerät er in einen Stau. 15 Minuten Verspätung sind für den Disziplinfanatiker ein Grauen, es ist ihm furchtbar peinlich. Noch ärgerlicher gestaltet sich dann der sportliche Start: Es setzt ein 0 : 3 in Bremen. Erst im nächsten Versuch glückt der erste Dreier – mit einem 2 : 0 gegen den Hamburger SV. Assauer und Stevens – aus dieser Konstellation entwickeln sich der Erfolg und eine echte Männerfreundschaft. »Rudi war immer der ideale Puffer für mich, hielt mir gegenüber dem Vorstand und den Medien den Rücken frei. Ich war neu und fremd in der Bundesliga, aber er nahm mich aus dem Wind«, schildert Stevens seine Sicht und rühmt das wachsende Vertrauensverhältnis zwischen Manager und Trainer: »Er hat sich in all den Jahren nie eingemischt, nicht in die Aufstellung, nicht in die Taktik. Ich habe mich nie beobachtet gefühlt. Auch wenn er mal in der Kabine war, hat er meist nur zugehört, höchstens mal ein paar aufmunternde, emotionale Worte an die Mannschaft gerichtet. Am Anfang stand er einmal mit brennender Zigarre in unserer Umkleide, da hab ich ihn aber ganz schnell rausgeschickt.« Und Assauer fügt sich. Beobachter sind erstaunt.
»Weltweit findet man nur wenige Trainer von seinem Kaliber. Er ist der beste Trainer, den ich je zu Schalke 04 geholt habe. Er ist ein besessenes Arbeitstier, hat große Fachkompetenz. Er wusste und weiß, wie man mit guten Fußballern umzugehen hat, und ist einfach top im Einschätzen der Qualitäten neuer Spieler. Am Laptop speichert er alles ab: Laufwege, wie man Freistöße schießt und, und, und. Seine Vorbereitung auf jede einzelne Trainingseinheit ist so
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