Wie ausgewechselt
Pokalfinale nach Berlin kamen 15 000 Fans. Huub versuchte, die Kiste komplett zu verdrängen. Er hat das schnell abgehakt. Unser Kotrainer Eddy Achterberg hat die Jungs in jenen Tagen mit ein paar Späßken im Training aufgeheitert. Uns allen war klar: Noch eine weitere Niederlage direkt nach dem grausamen Meisterschaftsende hätte die Mannschaft moralisch und psychisch komplett zerstört. Es gab also keine Alternative zu einem Sieg. Die Truppe hat mit der ganzen Wut und Enttäuschung als Antrieb gespielt. Union Berlin war keine große Gefahr für uns, es wurde ein lockeres 2 : 0. Jörg Böhme traf zweimal, per Freistoß und per Elfmeter. Der Pokal war jedoch nur ein Trostpreis. Heute noch sprechen die Fans auf Schalke vom 19. Mai. Ein Schreckensdatum. Aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem Schalke wieder Meister wird. Ob ich das noch erleben darf, weiß ich nicht.«
Die Mannschaft feiert das 2 : 0 an jenem 26. Mai 2001 ausgelassen. Auf der ersten Etage des Berliner Mannschaftshotels Steigenberger nimmt die Party kein Ende – eine Mischung aus Freude und tief sitzendem Frust.
»Diesen Sieg haben wir ausgekostet, aber wie! Richtig schön gezecht, auf den Tischen getanzt – bis morgens um 6.30 Uhr. Da ist kein Spieler vorzeitig weg oder Grüppchen in verschiedene Diskotheken der Stadt. Alle sind geblieben, wir waren eben eine große Familie. Unsere Hausband The Florians hat aufgespielt. Und immer wieder haben wir alle gemeinsam das Lied gesungen: Oh, du schöner blauer Vogel . Auch der Huub konnte feiern, mein lieber Mann. Mit dicken Zigarren im Mund sind einige Spieler aufreizend an meinem Tisch vorbeigetänzelt. Immer einen Spaß inne Backen, die Jungens! Ach, und an den Jiri Nemec erinnere ich mich noch, an unseren Tschechen. Normalerweise ein ganz stiller Bursche. Dem musste man ja sonst Geld bieten, damit er überhaupt mal was sagt. An diesem Abend hatte er ständig ein Weißbier in der Hand und hat gequasselt wie ein Wasserfall.«
Auf der Zugfahrt am nächsten Tag zurück nach Gelsenkirchen hängen die meisten Spieler mit Sonnenbrillen in ihren Sitzen. Partys hatten eine ganz spezielle Bedeutung beim FC Schalke, begründeten den Zusammenhalt der Truppe, des gesamten Vereins.
»Unsere Weihnachtsfeiern haben wir in der Loemühle in Marl oder im Gladbecker Wasserschloss Wittringen gemacht. Das war immer sehr nett. Jens Lehmann hat es sich nie nehmen lassen, alle Mitarbeiter der Geschäftsstelle mit Geld aus der Mannschaftskasse zu beschenken – Pralinen, Blumen, Parfüm. Eine feine Sache. Was die Geburtstage anbetrifft, war Huub Stevens vorbildlich. Er hatte einen Geburtstagskalender für alle Spieler, deren Frauen oder Freundinnen, Trainerstab, Betreuer, Mitarbeiter der Geschäftsstelle – wirklich für alle. Die bekamen dann Gutscheine von Drogeriemärkten oder ein Fläschchen Edles. Da war ich jedes Mal baff. Auch Karneval war immer ’ne große Nummer bei uns. Einmal habe ich mich an einem Rosenmontag zu einem Foto in der Sauna überreden lassen. Ein Bild -Zeitungs-Fotograf hat den Schuss bekommen, dem habe ich leichtsinnigerweise einen Gefallen getan. Ich war splitterfasernackt, nur die Zeitung verdeckte die besten Stellen, die Kronjuwelen. In den Tagen zuvor hatten wir von Altweiberfastnacht bis Rosenmontag ordentlich gefeiert, da waren wir in einer Männerrunde meist in der Friesenstube. Ein bisschen feiern, singen, klar, ab und zu auch mal tanzen – auch wenn das nicht so mein Ding ist. Und so kam es zu dieser Nummer. Das Bild haben sie natürlich am nächsten Tag schön groß auf der ersten Seite Sport gebracht. Da war was los, mein lieber Scholli. Meine Familie, die Sekretärin, alle waren entsetzt. Ja, du meine Güte! Was haste denn da jetzt schon wieder gemacht? Musste das denn sein? Man muss auch mal ’n bisschen bekloppt sein, im positiven Sinne. Damals war ich eben für jeden Scherz zu haben, heute würde ich so etwas natürlich nicht mehr machen.«
Die Saison nach dem ersten Pokaltriumph sollte die letzte mit Trainer Huub Stevens werden. In der Champions League 2001/02 scheitert Schalke bereits in der Gruppenphase an Panathinaikos Athen, RCD Mallorca und dem FC Arsenal. Auch der fünfte Rang in der Bundesliga ist eine Enttäuschung. Im DFB-Pokal jedoch kämpfen sich die Königsblauen wieder ins Finale nach Berlin. Angefangen mit den Amateuren vom SC Freiburg, schaltet man Arminia Bielefeld, SV Darmstadt 98, RW Oberhausen und im Halbfinale den FC Bayern mit 2 : 0 nach Verlängerung
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