Wie Blueten Am Fluss
meine Ma ist, die hat immer gesagt, es war' nicht recht, wenn eine Hebamme aus dem einen
Haus raus und ins nächste reinginge, wo Babys geboren werden, ohne den Müttern den geziemenden
Respekt zu erweisen, indem sie sich die Hände wusch.«
Der hochgewachsene Arzt bedachte die kleine Frau mit einem strengen Blick. »Junge Dame, wissen
Sie, wie vielen Kindern ich auf die Welt geholfen habe?«
Annie stemmte ihre dünnen Arme in die Hüften und wich keinen Millimeter zurück. »Wahrscheinlich
mehr als ich zählen könnt', aber was schadet es schon, wenn Sie sich Ihre feinen Hände waschen,
nachdem Sie Kranke versorgt oder vielleicht Tote angefaßt haben... oder...« Sie suchte im Geist nach
einem weiteren guten Grund und deutete schließlich mit einer verärgerten Geste auf das Fenster, durch
das sein Reittier zu sehen war. »Oder wenn Sie grad' ein stinkendes Pferd geritten haben?«
Die Unverfrorenheit der kleinen Frau schien Dr. Ferris einen Augenblick lang zu verblüffen, aber nach
einer Pause fuhr er sich mit der Hand nachdenklich über sein stoppliges Kinn und begann zu prusten,
sehr zur Erleichterung jener, die den Zusammenstoß der beiden verfolgten. »Ich schätze, es wird wohl
nichts schaden, wenn ich mir die Hände wasche. Was ist mit meinen Füßen? Willst du die auch
sehen?«
Annie blickte hinab und preßte sich dann eine Hand auf den Mund, als sie seine staubigen Stiefel
erblickte und begriff, daß sie seinem Humor zum Opfer gefallen war. Sie legte den Kopf in den
Nacken, um seinem Blick zu begegnen, grinste breit und verlieh ihrem reizlosen Gesicht auf diese
Weise einen gewissen Charme. »Für den Augenblick reicht's wohl, wenn Sie sie abwischen, aber
sehen Sie besser zu, daß Sie sich benehmen, denn ich werde Ihnen die Tür öffnen, wenn Sie wieder
hierher kommen... Zumindest für eine Weile.«
Der Arzt zog seine buschigen Augenbrauen weit in die Höhe, als
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hätte ihre Drohung ihn gekränkt, aber seine nächste Frage hatte nichts mit ihren Forderungen zu tun.
»Was ist mit dieser Kröte, diesem Myers? Wird er dir denn erlauben, hierzubleiben, ohne Zeter und
Mordio zu schreien?«
Der Scharfblick des Arztes erstaunte Annie Carver. »Ich bin mit seiner Erlaubnis hergekommen,
jawohl, also denken Sie ja nicht, ich war getürmt. Mr. Thornton hat ein Papier, das das beweist.«
Doktor Colby Ferris lachte spöttisch auf. »Das muß Sie aber ein ganz schönes Sümmchen gekostet
haben, wenn diese Kröte das Mädchen aus seinen Fängen gelassen hat. Myers war noch nie besonders
großzügig mit seinem Besitz.«
»Oh, es hat wirklich ein hübsches Sümmchen gekostet«, pflichtete Annie ihm bei und zeigte dann mit
dem Daumen über die Schulter, um auf ihren Wohltäter zu weisen. »Mr. Thornton hat zwanzig Pfund
bezahlt, fünf um mich auszuleihen, und fünfzehn als Garantie, daß er mich auch wirklich
zurückbringt.«
»Willst du damit sagen, daß Myers tatsächlich eine Quittung über die Summe ausgestellt hat?«
Annie nickte vorsichtig, denn sie konnte sich keinen Reim darauf machen, warum der Arzt so
schockiert war. »Das hat er getan, Herr.«
Colby Ferris bedachte Gage mit einem durchdringenden Blick. »Dann würde ich Ihnen raten, gut auf
die Quittung aufzupassen, Sir, denn Myers darf man nicht trauen. Er wird Sie betrügen, wenn er irgend
kann... Oder eine Möglichkeit finden, Sie des Diebstahls zu bezichtigen.«
»Ich kenne den Mann erst seit heute und nicht besonders gut. Ich weiß nur, daß ich nach so kurzer Zeit bereits eine deutliche Abneigung gegen ihn gefaßt habe«, gab Gage zu. »Sie können versichert sein, daß ich so vorsichtig wie nur möglich sein werde.«
Der Arzt zeigte auf Annies geschwollenes Gesicht. »Sie wissen natürlich, daß Myers dem Mädchen
auch in Zukunft solche Dinge antun wird, wenn Sie sie zu ihm zurückbringen.«
»Haben Sie vielleicht irgendeinen Vorschlag, was ich tun sollte?« Gage war dankbar für jede Lösung
seiner gegenwärtigen Zwangslage. Er deutete kurz auf Shemaine, die am anderen Ende des Ti—
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sches stand und Andrew das Gesicht wusch. »Ich habe bereits eine Dienerin, und für eine zweite ist in
meiner Hütte kein Platz.«
Der ältere Mann strich sich nachdenklich über das Kinn. »Ich habe das Mädchen bei Myers arbeiten
sehen und weiß, was sie kann.« Dann schnaubte er leise und gestattete es sich, ein wenig vom Thema
abzuweichen. »Sie hat da Arbeiten verrichtet, die Mr. Myers selber hätte tun sollen,
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