Wie Blueten Am Fluss
atemlose Spannung versetzte.
Es ist reine Einbildung, gemahnte Shemaine sich. Nur in den seltensten Fällen war die Wirklichkeit so
verlockend wie die Phantasie. Um ihre Gedanken wieder auf etwas zu richten, das sie von diesem
seltsam prickelnden Gefühl befreite, versuchte sie sich auf einen Abend zu besinnen, an dem sie
Maurice im Salon ihrer Familie empfangen hatte. Als sie versuchte, ein genaues Bild dieses Mannes
heraufzubeschwören, war die Gestalt ihres Verlobten genauso groß, sein Haar genauso schwarz und
sein Lächeln genauso bezaubernd wie das ihres Herrn, aber statt der bernsteinbraunen Augen blitzten
nun unter dichten Wimpern ebenholzschwarze Augen auf sie herab. Maurice' Lippen waren von einem
natürlichen Rotton, und als er den Kopf senkte, öffneten sich diese Lippen in Erwartung des Kusses,
den er sich von ihr rauben würde.
Aber plötzlich ging etwas schief mit ihrem Traum, und es war ein sonnengebräuntes Antlitz, das dicht
über ihrem eigenen erschien, und es war der sich öffnende Mund ihres Herrn, der mit glühendem
Begehren von ihrem eigenen Besitz ergriff. Mit derselben Plötzlichkeit wogte eine berauschende
Ekstase in ihr auf, die in ihrer Weiblichkeit eine seltsame Sehnsucht entfachte. Dieses Gefühl, das
bestenfalls beunruhigend genannt werden durfte, sandte eine köstliche Wärme durch ihre Brüste und
wirkte nicht weniger verheerend auf ihre Sinne als Gages Arm, der bei den Schießübungen vor nicht
allzulanger Zeit beiläufig über ihre Rundungen geglitten war.
Shemaine hob eine zitternde Hand und wischte sich, völlig aus der Fassung gebracht, die winzigen
Schweißperlen ab, die ihre brennende Stirn befeuchteten. Ihre erschreckende Reaktion brachte die
verwegene Vorstellung, sie sei eine uneinnehmbare Festung weiblicher Tugend, mit einem Mal zum
Einsturz. Früher einmal mochte sie wohl gelassen und gefaßt geblieben sein, so sehr Maurice sich
auch bemühte, sie davon zu überzeugen, daß sie doch
so gut wie verheiratet seien. Jetzt jedoch war sie sich keineswegs sicher, daß sie genauso kühl und
reserviert bleiben würde, falls Gage Thornton jemals mit ähnlicher Zähigkeit wie seinerzeit ihr
Verlobter versuchen sollte, ihre Gunst zu erringen. Ihre Wangen glühten, und ihr Atem ging in
hastigen kleinen Stößen, als sie daran dachte, wie seine männlichen Lenden beiläufig ihre Hüften
berührt hatten, als er ihr die korrekte Handhabung eines Vorderladers demonstriert hatte. Es dauerte
nicht lange, bis diese Erinnerung ein weiteres atemberaubendes Bild in ihr heraufbeschwor, das seiner
in Mondlicht getauchten männlichen Nacktheit. Dieses Bild ließ eine knospende Hitze in ihr
auflodern, die ihre Sinne in Brand setzte. Die Tiefe ihrer Erregung erschreckte sie über Gebühr. Wenn
sie schon in solchem Maße auf bloße Erinnerungen reagierte, dann gab es unzweifelbar eine Seite in
ihrem Wesen, die nicht annähernd so vernünftig und reserviert war, wie sie es früher einmal
angenommen hatte.
Nachdem sie nun eine Sinnlichkeit in sich entdeckt hatte, von der sie bisher nichts wußte, fiel es
Shemaine schwer, ihren Gedanken die Zucht aufzuerlegen, sich nur mit solchen Dingen zu
beschäftigen, die für ein tugendhaftes Mädchen in Frage kamen. Ihr plötzlicher Hang zu mißliebigen
Überlegungen wurde noch deutlicher, als Gage spätnachmittags in die Hütte zurückkehrte. Seine bloße
Anwesenheit entfachte einen solch unvertrauten Aufruhr in ihr, daß sie schließlich Angst bekam, was
er vielleicht entdecken mochte, wenn er in ihr gerötetes Gesicht sah und ihre zitternden Finger
bemerkte.
Als er sich auf den Teppich legte, um mit Andrew zu raufen und zu spielen, war es immerhin eine
große Erleichterung für Shemaine, daß er nicht in ihrer unmittelbaren Nähe war. Dennoch irrten ihre
Augen, während sie die Karotten schabte, immer wieder von ihrer Arbeit ab, um den Männerkörper
mit verstohlenen Blicken zu liebkosen. Es erschreckte sie maßlos, daß sie sich dabei ertappte, wie sie die Wildlederhosen beäugte, die sich locker über seine Lenden spannten. Die schlaffe Fülle führte ihre Gedanken schnell auf Abwege, hin zu Visionen von seinem hochgewachsenen, nackten Leib, auf dem silbrige Tröpfchen glitzerten. Die knisternde Wärme, die
288
289
sie in immer heftigeren Wogen durchlief, beeinträchtigte ihre Atmung, bis sie ernste Zweifel an ihrer
eigenen Geisteshaltung bekam. Wenn er noch einmal in ihr Bad eindrang und sie mit demselben
Hunger
Weitere Kostenlose Bücher