Wie Blueten Am Fluss
ein, womit sie sich beschäftigt hatte, bevor ihr das
Wiehern des Pferdes aufgefallen war. Mit einem leisen, ärgerlichen Stöhnen zog sie Gages
angespannten Blick auf sich, bis sie ihm schließlich mit einiger Verlegenheit gestand: »Es tut mir leid, Mr. Thornton, ich fürchte, ich habe die Wäsche unten am Bach liegengelassen.«
»Vergiß die Kleider!« befahl Gage ihr schroff. »Die können meinetwegen davonschwimmen.«
Er entriegelte die Vordertür, drückte sie mit der Schulter weit auf und trug Shemaine durch die Hütte
in den Flur, wo er sie behutsam auf die Füße stellte. Nachdem er sie zur Seite gedreht hatte, so daß das Licht auf ihre Verletzung fiel, ging er neben ihr in die Knie und zupfte an dem blutdurchtränkten Stoff.
Das Gewand war, bis auf zwei kleine Risse, wo die Bleikugel ihr Mieder aufgeschlitzt hatte,
unversehrt, hinderte ihn jedoch daran, die Wunde und den Ursprung der Blutung in Augenschein zu
nehmen. Er griff nach dem Stoff und hätte ihn entzweigerissen, wäre Shemaine nicht hastig einen
Schritt zurückgetaumelt. Die Tatsache, daß er ein solches Vorgehen auch nur in Erwägung zog,
weckte augenblicklich ihren zornigen Widerspruch. »Ich habe nicht die Absicht, wie eine hilflose
Törin dazustehen und Ihnen zu erlauben, meine Kleider zu zerreißen, Mr. Thornton. Ich bin sicher, das
Gewand läßt sich ohne weiteres waschen und flicken, und ich werde nicht dulden, daß ein so
zweckdienliches Kleidungsstück unrettbar zerstört wird.«
Gage seufzte verärgert. »In Victorias Truhe finden sich noch mehr Kleider, Shemaine, und ich gebe
dir die Erlaubnis, dir zu nehmen, was dir gefällt.«
Obwohl er abermals die Hand nach ihr ausstreckte, entzog Shemaine sich mit einem schnellen Schritt
seiner Reichweite. »Ich möchte Ihre Großzügigkeit nicht ausnutzen, Mr. Thornton«, erwiderte sie mit
einem eigensinnigen Kopfschütteln. »Sie haben mir ohnehin schon viel zu viel gegeben.«
»Dann zieh das Gewand aus, wenn es unbedingt sein muß!« befahl Gage gereizt. »Aber ich werde
keine Ruhe geben, bevor ich mir deine Verletzung angesehen habe.«
»Und ich werde es Ihnen auch gestatten, Sir, aber nur auf eine Art und Weise, die mir behagt.«
Shemaine blickte zu ihm auf und schlug mit schwacher Stimme vor: »Wenn ich mir eines Ihrer alten
Hemden ausleihen dürfte, vielleicht das, das sich vorne öffnen läßt, dann ließe sich Ihr Wunsch
leichter erfüllen.«
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Mit einem ungehaltenen Knurren ließ Gage sie allein und kehrte einige Sekunden später mit einem
wollenen Hemd aus seinem Schlafzimmer zurück. »Du kannst dir das anziehen, während ich Wasser
aus dem Brunnen hole.«
Shemaine nahm das Kleidungsstück von ihm entgegen und wartete, bis er den Krug vom
Waschständer genommen hatte und durch die Hintertür hinausging. Erst als er sie hinter sich
geschlossen hatte, öffnete sie ihr Mieder und das Leibchen, ließ beides von ihren Schultern gleiten und knirschte vor Schmerzen mit den Zähnen, während sie den Stoff von der Wunde entfernte. Dann warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, daß Gage auch gewiß nicht in
Sichtweite war, während sie die Kleidungsstücke bis zur Taille hinunterzog. Mit größter Vorsicht
schlüpfte sie nun in das Hemd, knöpfte es zwischen ihren Brüsten zu und rollte die langen Ärmel auf,
damit sie die Hände frei hatte. Während sie auf die Rückkehr ihres Herrn wartete, entdeckte sie im
Lagerraum ein altes Hemd und begann, es zu Verbandsmaterial zu zerreißen.
Ein kurzes Klopfen an der Hintertür kündigte Gages Eintritt an, und Shemaine wartete verlegen ab,
während er das Wasser in den Waschständer gab und weiteres Wasser vom Herd holte, um es zu
erwärmen. Als er zu ihr zurückkehrte und das Hemd über ihre Rippen hob, wandte sie errötend das
Gesicht ab und verschränkte die Arme schützend über dem Busen. Ohne diese Vorsichtsmaßnahme
hätte das Hemd einen freizügigen Blick auf alles darunter preisgegeben, denn das Kleidungsstück
umschloß sie so lose, als wäre es ein Zelt.
Gage befeuchtete indessen ein Tuch, mit dem er die blutige Wunde abtupfte und säuberte, bis er das
genaue Ausmaß ihrer Verletzung erkennen konnte. Zu seiner Erleichterung sah er, daß die Verletzung
nicht so ernst war, wie er zuerst gedacht hatte; es war nur ein Riß quer über eine Rippe, tief genug, um ausgiebig zu bluten, aber kaum lebensbedrohlich. Das einzige Risiko war eine Infektion der Wunde, aber er
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