Wie Blueten Am Fluss
entfernt von England, und ich nehme an, daß sich hier niemand findet, der Ihre
Worte bestätigen könnte«, antwortete William scharf. »Kein Vater würde es gern sehen, wenn sein
Sohn eine Verbrecherin zur Frau nimmt, und ich bin da keine Ausnahme.«
»Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Mylord, geschehen ist geschehen«, antwortete sie. »Und nichts wird
unsere Schwüre ungeschehen machen, es sei denn, Sie könnten Ihren Sohn dazu bewegen, mich mit
einer Annullierung unserer Ehe zu verstoßen. Ich will Ihnen jedoch aufrichtig sagen, daß die Dinge
dafür zu weit gediehen sind.«
»Mein Sohn hat bereits unter Beweis gestellt, daß er einen eigenen Kopf hat«, bemerkte William
angespannt und stieß dann einen tiefen Seufzer aus, als er an seine letzte Auseinandersetzung mit
Gage dachte. Es hatte mehrere Jahre gedauert, bis die Wahrheit ans Licht gekommen war, aber die
Einsamkeit, in die der Verlust seines
Sohnes ihn gestürzt hatte, hatte ihn von Anfang an gequält. »Es würde ihn nicht interessieren, was ich ihm rate; Gage wird immer tun, was er für das Beste hält, und gewiß würde es ihm widerstreben, eine junge Frau aufzugeben, die so reizvoll ist, wie Sie es trotz aller Verbrechen sind, die Sie in der
Vergangenheit begangen haben mögen.«
Als Shemaine sich der wachsenden Feindseligkeit zwischen ihnen bewußt wurde, spürte sie, wie kalte
Furcht ihr Herz zusammenpreßte. Dieser Mann hatte bereits beschlossen, daß sie eine Verbrecherin
war, und nichts außer einem Beweis ihrer Unschuld würde ihn zufriedenstellen. Es war dieselbe Art
von Falle, in der sie sich nach ihrer Verhaftung durch Ned, den Häscher, wiedergefunden hatte.
Obwohl sie nichts von dem getan hatte, was der verknöcherte Mann ihr damals zur Last gelegt hatte,
war kein Richter bereit gewesen, ihr Glauben zu schenken.
»Würden Sie bei Andrew bleiben, während ich zur Werkstatt gehe, um Gage zu holen?« Als Seine
Lordschaft nickte, deutete Shemaine auf das Sofa. »Sie können gern Platz nehmen. Ich werde nicht
lange fort sein.«
Andrew sträubte sich dagegen, mit einem Fremden allein gelassen zu werden, und stieß einen schrillen
Angstschrei aus, als Shemaine auf die Tür zuging. Er rannte hinter ihr her, und obwohl sie versuchte,
ihn zu beschwichtigen, klammerte der Junge sich verzweifelt an sie. William sah aufmerksam zu,
während sie beruhigend auf den Kleinen einsprach, seine Wange streichelte und schließlich seine
kleine Hand in die ihre nahm.
»Es tut mir leid, Mylord«, entschuldigte sie sich. »Andrew möchte im Augenblick nicht mit Ihnen
allein bleiben. Wenn er Sie besser kennengelernt hat, wird er gewiß eher bereit sein, sich mit Ihnen
anzufreunden.«
»Ich verstehe.«
Als sie die Hütte verließen, lehnte William sich auf dem Sofa zurück und sah sich in dem Raum um.
Da er einen guten Blick für vortreffliche Arbeit hatte, überwältigte ihn die hohe Qualität eines jeden Möbelstücks hier. Nachdem er mit seinem Koffer an Land gegangen war und sich Gillians Hilfe bei dessen Transport zur
418
Veranda versichert hatte, war er in der Nähe der Helling stehengeblieben, um das halbfertige Schiff zu bewundern und den alten Mann, Flannery, über die Entwürfe seines Sohnes auszufragen. Die beiden Schiffsbauer hatten ihn willig über das Schiff geführt und währenddessen mit Begeisterung das
Loblied ihres Arbeitgebers gesungen. Mit vor Stolz überquellendem Herzen hatte er sich alles
angesehen und schließlich zu begreifen begonnen, was Gage ihm einst in England zu erklären versucht
hatte. Nach annähernd zehn Jahren der Entfremdung von seinem Sohn war der Anblick dessen, was
Gage da geschaffen hatte, beinahe eine ebenso große Erleuchtung gewesen wie die Tatsache, daß er
nun endlich verstehen konnte, warum Gage seinerzeit England und den Schoß der Familie verlassen
hatte.
Fast genau auf den Tag drei Jahre nach Gages Aufbruch aus England war Christine einer
Lungenentzündung erlegen (oder einem gebrochenen Herzen, wie sie röchelnd behauptet hatte). Auf
dem Totenbett hatte sie allerdings ihrem Vater unter Tränen gestanden, sie sei so verliebt in Gage
gewesen, daß sie ihn mit der Behauptung, er habe sie geschwängert, zur Ehe habe zwingen wollen. Sie
war, nachdem sie ihren Namen beschmutzt hatte, als Jungfrau gestorben. Aber ihren eigenen Worten
zufolge war der Versuch, Gage für sich zu gewinnen, den Preis wert gewesen, denn sie hatte nie einen
anderen Mann so sehr gewollt, wie sie Gage
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