Wie Blueten Am Fluss
beeilte sich, ihm
die Richtung zu weisen und ihm die Namen mehrerer Männer zu nennen, die ihn gegen eine kleine
Gebühr flußaufwärts bringen würden. Seine Lordschaft brachte mit wenigen höflichen Worten seine
Dankbarkeit zum Ausdruck und bedeutete dem Matrosen, ihm zu folgen, aber Alma vertrat dem
Gentleman erneut den Weg.
»Dürfte ich um das Vergnügen bitten, den Namen Eurer Lordschaft zu erfahren?«
Seine Lordschaft schenkte ihr ein dünnes Lächeln, das sie ein klein wenig an ein anderes Lächeln
erinnerte, das ihr in derselben Stunde zuteil geworden war. »Lord William Thornton, Earl of
Thornhedge.«
Mrs. Pettycomb klappte für einen Augenblick der Kiefer herunter, bevor sie sich zitternd eine Hand
über den Mund schlug. Erschrocken und auch ein wenig benommen, fragte sie: »Irgendwie verwandt
mit Gage Thornton?«
»Er ist mein Sohn, Madam.« Mit diesen Worten ließ Seine Lordschaft die entgeisterte Frau stehen und
steuerte mit Judd im Schlepptau auf den Fluß zu. Wenige Augenblicke später war er auf dem Weg
stromaufwärts und winkte dem Matrosen zum Abschied nach.
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Ein leises, aber energisches Klopfen an der Haustür riß Andrew und Shemaine aus ihrem
Mittagsschlaf, und obwohl der Junge sich flink aus dem Bett seines Vaters schlängelte und zur Tür
rannte, stürzte Shemaine ihm mit jäher Angst hinterher. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Potts die Kühnheit besaß, bis zu ihrer Hütte heraufzukommen, schon gar nicht, nachdem Gage ihn verwundet hatte, aber sie durfte kein Risiko eingehen.
»Mach die Tür nicht auf, Andrew, bevor ich sehe, wer da ist«, bat sie ihn ängstlich.
Der Junge blieb gehorsam stehen und wartete ab, während sie ans Fenster trat und hinaussah. Der
Mann, der auf der Veranda stand, war Shemaine vollkommen fremd; in Newportes Newes hatte sie ihn
jedenfalls noch nie gesehen. Er hatte etwas Stolzes an sich, und seine Haltung zeugte von
unbestreitbarer Würde.
Also trat Shemaine neben Andrew, hob den Riegel hoch und erlaubte dem Kind, die Tür weit zu
öffnen. Die Aufmerksamkeit des Mannes galt zuerst dem Jungen, und Shemaine konnte nicht umhin,
seine Überraschung zu bemerken; gleichzeitig wurde sein Gesichtsausdruck, wenn auch nur schwach
wahrnehmbar, weicher. Eine Sekunde später hob sich der Blick der bernsteinfarbenen Augen, um sich
mit steinerner Kälte auf sie zu heften. Shemaine stieß einen leisen Laut der Überraschung aus. Das war auch schon alles, was ihr einfiel, um diesem kalten Blick zu begegnen, ohne zurückzuprallen, denn es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß Gages Vater vor ihr stand. Die Ähnlichkeit war zu deutlich,
als daß sie sie hätte übersehen können.
»Ist Mr. Thornton hier?« fragte er beherrscht.
»Er müßte mittlerweile aus dem Dorf zurück sein«, antwortete sie stirnrunzelnd. »Einer seiner Männer
sagte, er sei vor einigen Stunden nach Newportes Newes gefahren. Aber wenn Sie solange ins Haus
kommen und mit dem Jungen zusammen warten wollen, Mylord, werde ich schnell in die Werkstatt
laufen und feststellen, ob er wieder da ist.«
Verblüfft über ihren Scharfblick trat William in die Hütte, wo er die junge Frau genauer in
Augenschein nehmen konnte. Ihm fielen jedoch nicht nur ihre zarten, feingemeißelten Züge auf,
sondern
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auch der Ehering am Finger ihrer linken Hand. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an. »Sie
wissen, wer ich bin?«
Shemaine legte die Hände auf die Schultern des Jungen. »Ich glaube, Sie sind Andrews Großvater...
und der Vater meines Mannes.«
Williams Lippen verzogen sich zu einer dünnen Linie, und er versuchte, seine Verärgerung zu
verbergen. Die alte Klatschbase aus dem Dorf hatte also recht! Gage hatte sich nicht nur, was den Tod
seiner ersten Frau betraf, in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht, sondern seinen Namen auch einer
verurteilten Straftäterin gegeben. Dennoch war das Mädchen weit aufmerksamer und offensichtlich
auch sehr viel intelligenter, als er es von einer gewöhnlichen Verbrecherin erwartet hätte.
»Bekümmert es Sie, daß Ihr Sohn und ich verheiratet sind?« fragte Shemaine gelassen.
Seine Frage war dagegen weit weniger diplomatisch. »Sind Sie der Sträfling, von dem Mrs. Pettycomb
mir erzählt hat?«
Shemaine hob trotzig das Kinn. »Würde es eine Rolle für Sie spielen, daß ich zu Unrecht verurteilt
wurde?«
»Vielleicht würde es das, wenn die Möglichkeit bestünde, Ihre Unschuld zu beweisen, aber die
Kolonien sind weit
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