Wie Blueten Am Fluss
während das Gespräch auf
dem Dachboden fortgesetzt wurde.
»Steht Ihnen der Sinn noch nach einem weiteren Spiel, Mylord?« erkundigte Mary Margaret sich mit
dem Tonfall süßer Unschuld.
»Was, nur um mir noch einmal das Fell über die Ohren ziehen zu lassen?« Sein unbeschwertes,
amüsiertes Lachen schien diese Möglichkeit auszuschließen. »Noch so eine Niederlage, und von
meinem männlichen Stolz ist kein Fitzelchen mehr übrig!«
»Ich weiß gar nicht, warum Sie auf diesen Gedanken kommen, Mylord«, kam die charmante Antwort
der Irin. »Dabei haben Sie doch so viel, worauf Sie stolz sein können. Wahrhaftig, mir ist noch nie ein Engländer vor Augen gekommen, der besser ausgesehen hätte als Sie, Sir - das heißt, außer Ihrem Sohn natürlich, aber ich würde schwören, daß er Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Und dann
wäre da natürlich noch der kleine Andrew, der das Beste von Ihnen beiden in sich vereint.«
»Ja, er ist ein hübscher Junge, nicht wahr?« stimmte William ihr von Herzen zu. »Er erinnert mich
sehr an Gage in diesem Alter.«
Es folgte nur eine kurze Pause, bevor die gewitzte Kupplerin leutselig fragte: »Haben Sie Ihre Frau in England zurückgelassen, Euer Lordschaft?«
»O nein, Elizabeth starb, als Gage zwölf war. Sie hatte sich erkältet und ein gräßliches Fieber
bekommen. Ihr Tod hat mich so wütend gemacht. Ich war nicht dafür gerüstet, meinen Sohn mit der
Sanftheit großzuziehen, die ihr zu eigen war. Ich fürchte, ich war sehr hart mit ihm und habe zuviel
von ihm verlangt.«
»Und Sie haben nie wieder geheiratet?« fragte Mary Margaret überrascht.
»Ich wollte nicht. Die meiste Zeit hatte ich ohnehin zuviel zu tun; es war mir eine Herausforderung,
immer größere und bessere Schiffe zu bauen. Außerdem hatte ich ständig Schwierigkeiten mit
Frauen... ich nehme an, es ging mir da in etwa so wie meinem Sohn. Diejenigen, mit denen ich zu tun
hatte, haben mich gewiß stets für einen widerlichen alten Kauz gehalten.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben, Euer Lordschaft«, sagte Mary Margaret warmherzig. »Denn ich
finde Ihre Gesellschaft sehr angenehm. Tatsächlich haben Sie etwas an sich, das mich stark an meinen
eigenen lieben, verblichenen Ehemann erinnert.«
»Wie das, Mrs. McGee?« fragte William neugierig.
»Mein Name ist Mary Margaret, Mylord, und ich würde mich
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geehrt fühlen, wenn Sie mich in Zukunft nicht mehr so formell ansprechen würden.«
»Vielen Dank, Mary Margaret. Und wenn Sie nichts dagegen hätten, mein Name ist William.«
»Ah, der entschlossene Beschützer«, seufzte Mary Margaret nachdenklich.
»Wie bitte?« Der Tonfall Seiner Lordschaft verriet seine Verwirrung.
»William... bedeutet >der den Frieden im Heim Schützende<«, erwiderte Mary Margaret. »Der Name
paßt gut zu Ihnen. Sie waren bestimmt ein entschlossener Beschützer Ihres Sohnes, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt wohl. Um die Wahrheit zu sagen, ich konnte es einfach nicht ertragen, ihn zu
verlieren, nachdem ich so lange nach ihm gesucht hatte.«
»Sie müssen ihn sehr lieben.«
»Ja, das tue ich, aber es ist mir immer sehr schwergefallen, ihm das zu sagen.«
»Nun, darüber brauchen Sie sich jetzt keine Gedanken mehr zu machen, William. Mit Ihren Taten
haben Sie Ihre Liebe weit ausdrucksvoller unter Beweis gestellt.«
Unten im Flur drückte Gage lächelnd einen Finger auf die Lippen und blickte auf Shemaine hinab.
Dann nahm er ihre Hand und führte sie verstohlen ins Wohnzimmer. Nachdem sie in ihr Schlafzimmer
getreten waren, zog er sacht die Tür hinter sich zu. Mit derselben Lautlosigkeit ging Gage in das kleine Schlafzimmer nebenan, um seinen Sohn zu betrachten. Das engelsgleiche Gesicht war zu unwiderstehlich, als daß er es nicht hätte küssen müssen, und nachdem er sich wieder aufgerichtet
hatte, sah Gage, daß auch Shemaine neben dem Bettchen niedergekniet war. Liebevoll strich sie dem
Jungen über die Stirn und sang ihm mit einer Stimme, die beinahe so sanft war wie die zarte
Berührung ihres Atems, ein Schlaflied. Ein Lächeln huschte flüchtig über das kleine, rosige
Mündchen, bevor Andrew sich mit einem beglückten Seufzer auf die Seite drehte, um sich an sein
Stoffkaninchen zu schmiegen. Gage hielt Shemaine die Hand hin, während sie sich erhob, und ge—
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meinsam gingen sie wieder ins Nebenzimmer. Dann wurde ganz leise der Riegel vorgeschoben.
»Ich finde, wir sollten einen Jungen bekommen, damit Andrew einen
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