Wie Blueten Am Fluss
Oberfläche des
Stückes zu befühlen, um sich selbst von deren Glätte zu überzeugen.
Vor allem schien Camille ehrlich begeistert zu sein von der Anrichte. Sie war nämlich diejenige, die
im Laufe ihrer Ehejahre die Möbelstücke ihres Hauses ausgewählt hatte, eine Aufgabe, die Shemus ihr
bereitwillig überlassen hatte. Ihm war schon vor langer Zeit klargeworden, daß seine Frau die
natürliche Begabung besaß, die einfachste Unterkunft zu einem behaglichen, geschmackvoll
eingerichteten Heim zu gestalten. Über die Jahre hinweg hatte Camille einen scharfen Blick
entwickelt, so daß sie wußte, wann sie ein wirklich exquisites Stück vor sich hatte. Und obwohl die
Linien des Büfetts ziemlich einfach waren, machte die Tigeraugenmaserung des Holzes, aus dem es
gefertigt war, es zu einem herausragenden und wunderschönen Möbelstück. Nachdem sie betont hatte,
daß es zu dem Besten zählte, was sie je gesehen hatte, bat Camille ihren Mann inständig, es genauer in Augenschein zu nehmen, denn sie wünschte, daß er verstand, wieviel Talent und Hingabe notwendig waren, ein so außergewöhnliches Stück herzustellen.
Nach außen hin schien Ramsey der leisen Unterredung des Ehepaares keine besondere Beachtung zu
schenken, aber in Wirklichkeit hatte er die Ohren gespitzt und hörte genau zu. Während er Sly einen
Augenblick zur Hand ging, hatte er außerdem Gelegenheit, Maurice zu beobachten, wenn auch
verstohlen. Der Marquis begegnete Camilles Begeisterung mit kühler Gleichmütigkeit und sah sich
gelangweilt in der Werkstatt um. Seine Zurückhaltung schien unerschütterlich. Im weiteren Verlauf
der Führung stellte Ramsey die gelassene Standfestigkeit des Mannes auf die Probe, indem er bewußt
ein wenig Salz in die Wunden des Marquis rieb.
»Da dürfte es wohl keinen Zweifel geben. Mr. Thornton ist der Begabteste Schreiner hier in der
Gegend. Der Mann ist nicht nur in der Lage, Möbelstücke wie dieses hier aus der Phantasie zu
zeichnen«, erklärte Ramsey und untermauerte seine Worte, indem er sich mit dem Finger gegen die
Schläfe tippte, »er ist obendrein wohlhabend genug, um mehrere Familien zu versorgen. Er zahlt
gerechte
490
Löhne, jawohl, und keinem von uns ginge es heute so gut, wenn wir für einen anderen Zimmermann
arbeiten würden.«
Nachdem er seine Besucher zum Fenster geführt hatte, wischte er den feinen Holzstaub ab, bis sie die
noch im Bau befindliche Brigantine sehen konnten, die unweit des Flußufers auf Stapel lag. »Sehen
Sie das ?« Er schaute sich um, um sicherzugehen, daß er auch wirklich ihre ungeteilte
Aufmerksamkeit hatte, und registrierte flüchtig die Gleichgültigkeit, die der Marquis nach wie vor an
den Tag legte. »Mr. Thornton hat sich auch dieses Schiff da ausgedacht. Wenn es ihm nicht so am
Herzen läge, Schiffe zu entwerfen und zu bauen, wäre er wahrscheinlich mittlerweile der reichste
Mann hier in der Gegend, nur durch das, was er mit seinen Möbeln verdient. Aber warten Sie's nur ab,
in ein oder zwei Jahren, vielleicht auch in dreien, wird er sich als Schiffsbaumeister durchgesetzt
haben, daran kann kein Zweifel bestehen!«
Maurice gestattete sich einen gereizten Seufzer, bevor er sich vom Fenster abwandte. Es ging ihm
gegen den Strich, daß dieser prinzipienlose Schurke mit Lob überhäuft wurde. Wenn es nach ihm
ginge, würde er Gage Thornton gleich an Ort und Stelle fordern und die Welt von einem unwürdigen
Halunken befreien.
Ramsey streifte den hochgewachsenen, gutgekleideten Mann mit einem aufmerksamen Blick. Die
finstere Feindseligkeit, die nun deutlich wahrnehmbar hinter diesen noblen Zügen brodelte, bewies,
daß der Marquis seinen Köder geschluckt hatte. Nun war wohl eine Führung durch die Brigantine
angebracht, um den Stachel noch tiefer ins Fleisch zu bohren und den Marquis wissen zu lassen, daß
es kein gewöhnlicher Mann war, den er von Gottes Erdboden vertreiben wollte.
Nachdem er die kleine Schar der Fremden gebeten hatte, ihn zu begleiten, führte er sie den Weg
hinunter zur Schiffsbaustelle am Fluß und stellte sie dort Flannery Morgan vor. Auf dem Schiff
überließ er es dem ergrauten Schiffsbauer, die Vorzüge von Gages Entwurf zu preisen, denn das
konnte niemand mit größerer Begeisterung tun als er.
»Wenn das Schiff fertig ist, wird es das sein, was Sie eine Zweimastbrigantine nennen«, erklärte ihnen der alte Mann. »Der Rumpf 491
ist niedrig mit schlanken Linien. Wenn Sie überhaupt etwas von Schiffen
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