Wie Blueten Am Fluss
sich ihm in den Weg stellten, durch
Worte zu duellieren, zählte gewiß nicht zu seinen geringsten Talenten. Er war stets in Hochform
gewesen, wenn er sich bei Gericht gegen lächerliche Äußerungen selbstherrlicher Lords gewehrt hatte.
Er konnte einen Gegner mit Zweideutigkeiten überschütten, die dieser zuerst gar nicht bemerkte. Erst
wenn der Saal unter johlendem Gelächter erbebte, bekam sein Widersacher mit, daß er verloren hatte.
»So gern ich Ihnen zu Diensten wäre«, versetzte Gage mit leisem Spott, »sehe ich keinerlei
Notwendigkeit, mich wegen Shemaine mit Ihnen zu schlagen. Sie ist meine Frau, und ich habe nicht
die Absicht, Ihnen zu erlauben, mich zu töten, damit Sie sie für sich fordern können.«
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Maurice zischte verächtlich. »Sie sind ein Feigling und ein greinender Flegel.«
Gage, dem durchaus klar war, daß der andere Mann ihn zu einer Torheit herauszufordern versuchte,
zuckte nur die Achseln. »Denken Sie, was Sie wollen, aber ich habe eine Ehefrau und werdende
Mutter und zusätzlich einen Sohn zu Hause...«
Mit einem wütenden Schnauben trat Maurice auf den Siedler zu, um ihm den Besitz seiner ehemaligen
Verlobten streitig zu machen. Doch er verhielt mitten im Schritt, denn Shemaine hob den Kopf von
der Schulter ihres Mannes und drehte dessen Gesicht mit einer sanften Berührung ihrer Hand zu sich
herum. Maurice fühlte sich in dem Moment vergessen und verraten von dieser jungen Frau, deren
Verschwinden ihn mit Trauer und tiefster Sorge erfüllt hatte.
Shemaine blickte forschend in das wie gemeißelte, edle Antlitz ihres Mannes, und sein Lächeln verriet
ihr, daß er ihr Geheimnis, das sie zumindest noch ein Weilchen vor ihm hatte verborgen halten wollen,
bereits entdeckt hatte. Es hatte nicht der entgeisterten Worte ihrer Mutter bedurft, um ihn über ihren Zustand ins Bild zu setzen.
Shemaines Lippen formten eine lautlose Frage: Wieso wußtest du?
Gage raunte dicht an ihrem Ohr: »Keine Unterbrechungen in unseren nächtlichen Freuden, seit wir
geheiratet haben, meine Liebste. Aus Erfahrung kennt sich ein Witwer mit monatlichen Zyklen und
solchen Dingen aus. Entweder konntest du überhaupt keine Kinder bekommen, oder du mußtest kurz
nach unserer Heirat schwanger geworden sein. Und als ich dann eine Veränderung deiner Brüste
bemerkte, war ich mir schließlich ganz sicher. Aber ich habe abgewartet, bis du bereit warst, es mir zu erzählen.«
Mit einem leisen, zufriedenen Seufzer schmiegte Shemaine den Kopf an seine Schulter, und Gage
kehrte wieder zu den Erfordernissen des Augenblicks zurück.
»Ihre Dienerinnen dürfen sich gern in irgendeinem Winkel meines Hauses niederlassen«, sagte er zu
Camille. »Shemaine hat einige neue Federmatratzen für uns gemacht. Sie sind noch nicht fertig, aber
trotzdem benutzbar.«
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»Ihr werdet es enger haben als die Bäume im Wald«, bemerkte Ramsey trocken. »Und weißt du noch
was? Ihr werdet nicht mal niesen können, ohne daß euch jemand anderes das Taschentuch halten
muß.«
Gage hätte keiner eingehenderen Erklärungen seines Freundes bedurft, denn Ramsey hatte die
Neigung, direkt zum Kern der Dinge vorzustoßen. Einfach ausgedrückt würde es in der vor ihnen
liegenden Nacht annähernd unmöglich sein, Shemaine zu lieben, ohne daß ihre Besucher es
mitbekamen.
Shemus schob seinen Gehrock zurück und stemmte die Fäuste auf die Hüften, bevor er auf Gage
zutrat. »Wenn es in Ihrem Haus so wenig Schlafzimmer gibt, wo zum Teufel hat dann meine Tochter
genächtigt, bevor sie Ihre Frau war?«
»Bitte, Papa«, sagte Shemaine und warf ihrem Vater einen flehentlichen Blick zu. »Kann das nicht
warten, bis wir nach Hause kommen? Oder müssen wir die Sache wirklich im Stehen und mitten in der
Stadt austragen?« Ihr Blick flackerte zu den Leuten, die sich längs des Gehsteigs versammelt hatten,
um sie neugierig anzustarren. »Wir sind ja eine größere Attraktion als die Braut und der Bräutigam auf dem Hochzeitsfest.«
»Sagen Sie es mir einfach!« Shemus ließ nicht locker, sondern bedachte Gage mit einem
durchdringenden, wütenden Blick.
»Ihre Tochter hat bis zu unserer Hochzeit auf dem Dachboden geschlafen, Mr. O'Hearn«, erwiderte
Gage. »Aber dort ist gegenwärtig mein Vater untergebracht, der sich von einer ernsthaften Verletzung
erholt. Außerdem haben wir noch einen weiteren Gast, mit dem Ihre Gattin das Schlafzimmer meines
Sohnes teilen wird.«
»Warum kann sie nicht bei meiner Tochter
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