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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

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erblindet wäre, bevor
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    er einen Blick auf die schwindelerregende Schönheit werfen konnte, der er einst selbst sein Herz
    geschenkt hatte.
    Die Wolken, die seit ihrer Ankunft in undurchdringlich düsterem Grau über Maurice' Dasein gehangen
    hatten, verflüchtigten sich, sobald Shemaine sich zu ihnen auf das Schiff gesellte. Sie trug ein
    hübsches hellblaues Kleid, ein weißes, spitzengesäumtes Häubchen und hatte sich eine weiße Schürze
    um die schlanke Taille gebunden. Alles in allem sah sie genauso aus, wie man sich die Frau eines
    Siedlers vorstellte. Unendlich reizvoll, überlegte Maurice, der ihre Schönheit in sich aufsog, während sie ihre Eltern umarmte. Tatsächlich bewegte ihn ihre Gegenwart so sehr, daß er wohl seinen ganzen Reichtum fortgegeben hätte, nur um der Mann zu sein, der sie nun besaß.
    »Es tut mir leid, daß Gage und ich euch nicht gleich nach eurer Ankunft anständig begrüßen konnten«,
    entschuldigte Shemaine sich anmutig. »Seine Lordschaft ist noch nicht voll wieder bei Kräften, aber er hatte dennoch das ehrliche Bedürfnis nach einem ausgiebigen Wannenbad, nachdem er sich allzulange mit einem kleinen Waschbecken behelfen mußte. Dafür brauchte er Gages Hilfe. Mir schien das eine
    gute Gelegenheit zu sein, sein Zimmer sauberzumachen. Ich hoffe, ihr nehmt es uns nicht übel.«
    »Seine Lordschaft?« Maurice hatte die Bedeutung dieser Anrede sogleich aufgegriffen und war
    überaus neugierig.
    Jegliche Zweifel, ob der Marquis genauso groß sei wie ihr Mann, konnten nun endlich begraben
    werden, als Shemaine den Kopf in den Nacken legte, um seinen Blick zu erwidern. Dasselbe mußte sie
    tun, wenn sie in die bernsteinbraunen Augen aufschaute. »Gages Vater ist Lord William Thornton, der
    Earl of Thornhedge.«
    Ein Ausdruck des Erstaunens trat in Maurice' Gesicht. Lord Thornton war bei so mancher
    Gesetzesvorlage im Parlament sein Fürsprecher gewesen. Meist war es darum gegangen, die Rechte
    des einzelnen vor dem Gesetz zu stärken, und einmal auch um das Verbot, Strafgefangene nach
    Übersee zu verschiffen allein zu dem Zweck, den Abschaum englischer Gefängnisse an die Kolonien
    loszuwerden.
    »Kennen Sie ihn, Marquis?« fragte Shemaine.
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    Maurice legte den Kopf zur Seite und sah sie so merkwürdig eindringlich an, daß es ihr die Röte in die Wangen trieb. In seinen dunklen Augen lag ein verletzter Schimmer, während ein bitteres Lächeln seine schön geschwungenen Lippen verzog. »Wie hast du mich genannt, Shemaine? Ich dachte, über
    das Stadium von Titeln und formeller Anrede seien wir längst hinaus gewesen.«
    Shemaine wußte, daß die scheinbare Mühelosigkeit, mit der Maurice sie im Augenblick aus dem
    Gleichgewicht bringen konnte, vor allem ihren Gewissensbissen zuzuschreiben war. So begierig war
    sie darauf gewesen, den Antrag ihres Mannes anzunehmen, daß sie kaum daran gedacht hatte, wie sehr
    sie Maurice mit ihrer Entscheidung vielleicht weh tun würde. Sie hatte es im Grunde für
    selbstverständlich gehalten, daß ihr ehemaliger Verlobter seine Aufmerksamkeit bei so vielen
    reizvollen Verehrerinnen nach ihrem Verschwinden sofort auf eine andere gerichtet hätte.
    »Wir sind nicht länger verlobt, Marquis«, erinnerte sie ihn mit gedämpfter Stimme, denn die glühende
    Leidenschaft in diesen dunklen Augen erfüllte sie mit Unbehagen. »Und ich halte es nicht für
    schicklich, Sie immer noch mit Ihrem Taufnamen anzusprechen.«
    »Du hast meine Erlaubnis, genau das zu tun, Shemaine«, murmelte Maurice und trat einen Schritt
    näher an sie heran. »Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, auch wenn ich dich nicht
    zurückgewinnen kann.«
    Wo sie sich einst in Maurice' Gesellschaft vollkommen unbefangen gefühlt hatte, hatte Shemaine nun
    das Gefühl, auf einem Nadelkissen zu sitzen. Sie war davon überzeugt, daß seine Nähe, sobald ihr
    Mann zu ihnen kam, zu einem weiteren Zusammenstoß führen würde, und das beunruhigte sie. War es
    wohlüberlegte Taktik seinerseits, um Gage zu erzürnen, oder hoffte er, seine Nähe würde auf ihre
    Gefühle wirken und sie vielleicht bedauern lassen, eine andere Ehe eingegangen zu sein? Was auch
    immer seine Gründe sein mochten, Shemaine hätte ihn lieber in sicherem Abstand gewußt. Gage
    konnte jeden Augenblick auf die Werft kommen, und wenn sie eines aus ihrer Begegnung am
    vergangenen Abend in Newportes Newes gelernt hatte, dann die Tatsache, daß
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    ihr Mann sehr besitzergreifend war, was sie betraf - ganz

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