Wie Blueten Am Fluss
seines Kragens geradezu. Sein schwarzes Haar trug er im Nacken zu einem säuberlichen Zopf
gebunden, und seine Haut hatte während der Seereise von England in die Kolonien eine tiefe, warme
Bräune angenommen. Gage konnte jetzt verstehen, warum Shemaine so sicher gewesen war, daß
Maurice eine andere Frau finden würde. Er sah so gut aus, daß er die Frauen gewiß in Scharen anzog.
»Sie scheinen gut erholt zu sein, Marquis«, bemerkte Gage ohne jede Wärme. »Darf ich davon
ausgehen, daß das Quartier angemessen war?«
Maurice' Augen glitzerten eisig über einem kühlen Lächeln. »Die Gastfreundschaft der Tates hätte
nicht herzlicher sein können, aber ich denke, Sie können sich vorstellen, daß ich an etwas anderes
dachte.«
»Sie sprechen von Shemaine«, bohrte Gage nach.
»Ja, Shemaine«, murmelte Maurice verträumt, als beschwichtige schon der Name allein seinen Geist.
»Sie ist wie ein milder Frühling nach einem harten Winter.«
»Durchaus!« gab Gage ihm recht. »Aber sie gehört mir!«
Maurice antwortete mit einem Achselzucken. »Zumindest für den Augenblick.«
Flannery lenkte Gages Aufmerksamkeit auf sich, während er von der Kajüttreppe aus näherkam.
»Könnte ich wohl ein Wort mit Ihnen sprechen, Käpt'n?«
»Natürlich, Flannery.« Die Störung kam Gage keineswegs gelegen, aber er entschuldigte sich bei
seinen Gästen und folgte dem Schiffsbauer an die Reling.
Flannery sah mit einem breiten Grinsen zu ihm auf. »Ich weiß, daß Sie Gesellschaft haben, Käpt'n,
aber ich dachte, es würd' Ihnen gefallen, was ich Ihnen zu erzählen hab'... wo es doch um ein paar
Leute geht, die wo sich heute dieses Schiff hier ansehen wollen. Und was das Beste ist, Sir, sie wollen es vielleicht kaufen.«
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Die beiden Männer setzten ihre Unterhaltung noch einige Minuten mit gedämpfter Stimme fort, dann
kam Gage mit dem gleichen ansteckenden Grinsen, das bereits den alten Seebären infiziert hatte, zu
Shemaine zurück und nahm sie, nachdem er sich abermals bei ihren Gästen entschuldigt hatte,
beiseite. »Flannery hat mir gerade eine wunderbare Neuigkeit gebracht, meine Liebste, und ich wollte
sie mit dir teilen, damit du mir raten kannst. Es sieht so aus, als hielte sich im Augenblick ein
Seekapitän hier in der Gegend auf, dessen Familie im Reedereigeschäft ist. Er ist von Richmond aus
flußabwärts gefahren und hat gestern abend Flannery in Newportes Newes aufgesucht. Er will mit
anderen Mitgliedern seiner Familie heute noch nach New York aufbrechen, aber bevor er in See sticht,
möchte er sich gern unser Schiff ansehen. Flannery ist früher unter ihm gesegelt und hat mir
versichert, daß der Mann das Geld hätte, um das Schiff zu kaufen, falls es seinen Bedürfnissen
entspricht.«
»Oh, Gage, das wäre ja wunderbar!« rief Shemaine, der sofort der Gedanke kam, daß ihre Eltern sich
wohl kaum in eine verbale Auseinandersetzung mit ihrem Mann stürzen würden, solange Fremde
zugegen waren. Sie wollte diesen Streit mit aller Macht vermeiden, und nun durfte sie die Hoffnung
hegen, sogar Unterstützung von außen zu bekommen.
Gage blickte eher zweifelnd auf sie hinab und fragte: »Werden es deine Eltern nicht als Kränkung
empfinden, wenn ich den größeren Teil meiner Aufmerksamkeit diesen anderen Leuten widme,
während sie heute hier sind? Ich darf wohl kaum auf ihre Billigung hoffen, solange sie mich weiterhin
für einen Mörder halten. Und wenn sie den Eindruck gewinnen, daß ich ihnen absichtlich aus dem
Weg gehe, könnten sie vielleicht versuchen, dich von mir fortzureißen, ohne mich anzuhören.«
»Ich wäre unbeschreiblich zornig auf sie, wenn sie das täten«, erwiderte Shemaine, aber dann lächelte
sie und zerstreute seine Bedenken. »Oh, Gage, ich bin mir ganz sicher, daß mein Vater versteht, wie
wichtig es ist, daß man in geschäftlichen Dingen nicht den entscheidenden Augenblick verpaßt. Und
ich möchte um nichts in der Welt riskieren, daß du dir diese Gelegenheit entgehen läßt. Du
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hast doch von Anfang an davon geträumt, das Schiff zu verkaufen. Außerdem haben meine Eltern auf
diese Weise mehr Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß wir verheiratet sind. Es war ein
ziemlicher Schock für sie, hier anzukommen in der Hoffnung, ihre jungfräuliche Tochter aus der
Knechtschaft retten zu können, nur um dann festzustellen, daß ich, seit sie mich das letzte Mal sahen, nicht nur geheiratet, sondern auch ein Kind empfangen habe.«
»Ja, sie
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