Wie Blueten Am Fluss
verstehen, meine Damen und
Herren, werden Sie feststellen, daß der Mast ziemlich weit vorne steht. Das trägt zur Stabilität des
Schiffes bei. Aber der größte Vorteil, das möchte ich wetten, wird sein, daß es schneller läuft.
Wahrhaftig, es wird die See durchpflügen wie eine Meerjungfrau, die nach einem Mann Ausschau
hält.«
Camille lief bei seinem Vergleich ein wenig rot an, aber der alte Seebär bemerkte ihr Unbehagen
nicht, sondern drängte seine Besucher, ihm den Niedergang hinunter zu folgen. Dort machte er sie hie
und da auf besonders interessante Punkte des meisterlichen Entwurfes aufmerksam und führte sie dann
durch die unteren Decks, wobei er unaufhörlich die außergewöhnliche Vorstellungskraft und
Begabung seines Arbeitgebers hervorhob. Schließlich brachte er sie wieder auf das Hauptdeck.
Shemus O'Hearn überließ die anderen sich selbst und ging an das entgegengesetzte Ende des Schiffes,
um es von dort aus zu betrachten, denn er wollte alles, was man ihm gezeigt hatte, in Ruhe abwägen.
Er hatte aufmerksam zugehört und versucht, auf diese Weise Erkenntnisse über den Menschen Gage
Thornton zu gewinnen. Was ihn am meisten überraschte, waren die Angestellten. Shemus hatte im
Laufe seines Lebens viele Männer in seinen Diensten gehabt, aber er war sich keineswegs sicher, daß
auch nur einer von ihnen so loyal gewesen war oder seine Arbeit und seine Leistungen mit derselben Freude betrachtet hätte, wie Ramsey, Sly Tucker, Flannery und die anderen es mit Thorntons Arbeit und Leistungen zu tun schienen. Angesichts ihrer Treue und ihrer Begeisterung mußte er sich fragen,
wie es einem Schurken gelungen sein könnte, solche Gefühle in seinen Männern zu wecken.
Shemus Patrick O'Hearn war selbst der Schmied seines Glückes gewesen; er hatte mit wenig
angefangen und sich seinen Weg nach oben erarbeitet. Es war daher keineswegs überraschend, daß
ihm der Siedler langsam einen widerwilligen Respekt abnötigte, während ihm die vielen Leistungen
und der ungebrochene Ehrgeiz des Mannes zu Bewußtsein kam, der seine Tochter geheiratet hatte. Er
erinnerte sich noch allzugut seiner eigenen Anfänge und auch
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daran, welche Befürchtungen Camilles Eltern einst bezüglich des irischen Emporkömmlings
ausgesprochen hatten, der sich gut genug wähnte, ihrer Tochter den Hof zu machen. Während ihm all
diese Dinge durch den Kopf gingen, fragte er sich, ob er in bezug auf den Tischler nicht zu voreilig
und zu hart geurteilt hatte. Im Laufe der Jahre hatte er sich im Herzen von Camilles Familie einen
Platz erkämpft. Diese Leute würden zu den ersten gehören, die heute mit Nachdruck darauf bestanden,
daß er ein Mitglied ihrer Familie war. Würde jemals der Tag kommen, an dem auch er seinem neuen
Schwiegersohn mit solcher Wertschätzung begegnete?
Die Frage, inwieweit Gage für den Tod seiner ersten Frau verantwortlich war, blieb jedoch seine
Hauptsorge. Dies war eine Angelegenheit, die unbedingt geklärt werden mußte, sonst würde sie wie
ein scharfer Keil auf immer zwischen ihnen stehen und sie in gegnerische Lager teilen. Tief drinnen
wußte Shemus, daß er zuerst vollends von Gages Unschuld überzeugt sein mußte, bevor er mit
Shemaines Ehe auch nur halbwegs seinen Frieden machen konnte, ganz gleich, wie fleißig der Siedler
sein mochte. Aber wenn nach einem ganzen Jahr noch immer solche Gerüchte in dem Weiler
kursierten, bezweifelte Shemus, daß diese Sache so ohne weiteres würde bewiesen werden können.
Selbst wenn er Shemaine mit Gewalt an Bord eines Schiffes nach England zerren mußte, wußte
Shemus, daß er seine Tochter unmöglich in der Obhut eines Mannes lassen konnte, der des Mordes
verdächtigt wurde.
Während der Führung durch das Schiff hatte Maurice du Mercer phlegmatisches Schweigen bewahrt.
Er war noch immer von einer wilden Feindseligkeit gegen den Mann beseelt, der ihm seine Verlobte
gestohlen hatte, und er wäre eher erstickt, als auch nur einen Funken von Interesse oder Bewunderung
für die Leistungen seines Rivalen zu zeigen. Man konnte jedoch auch nicht behaupten, daß er nicht
beeindruckt gewesen wäre, trotz des Grolls, den er gegen den Mann hegte. Er zweifelte keinen
Augenblick daran, daß Gage Thornton ein gutes Auge für Qualität und Schönheit hatte. Shemaine war
gewiß der lebende Beweis dafür. Dennoch hätte Maurice, wenn er das Schicksal zu seinen Gunsten
hätte beeinflussen können, durchaus gewünscht, daß der Siedler
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