Wie Blueten Am Fluss
überschütten.
Gage grunzte gereizt, als er diese Erklärung hörte, konnte dem Mann aber kaum einen Vorwurf daraus
machen. Im Gegenteil -falls Shemaine jemals Witwe würde, konnte Gage sich keinen besseren Mann
für sie denken als Maurice. Dennoch hoffte Gage, daß sich die Wünsche des Marquis nicht erfüllen
würden. Schließlich wollte er zusammen mit Shemaine steinalt werden. Sie war ganz eindeutig die Art
Ehefrau, die einem Mann mehr bedeuten konnte als alle Schiffe, aller Ruhm und aller Reichtum dieser
Welt.
Shemus rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, nachdem ihn seine Frau wiederholt
gestupst hatte. Schließlich wandte er sich mit einem verlegenen Räuspern an seinen Schwiegersohn.
Die Tatsache, daß William ebenfalls anwesend war, steigerte sein Unbehagen nur noch. »Jetzt, da Sie
nicht mehr unter dem Verdacht stehen, Ihre erste Frau ermordet zu haben, muß ich mich wohl bei
Ihnen entschuldigen - Sie wissen schon, für all das, was ich Ihnen bei unserer ersten Begegnung gesagt habe.«
»Nur wenn es Ihnen wirklich ernst ist«, entgegnete Gage. »Eine lahme Entschuldigung ist nicht viel
wert, es sei denn, man steht wirklich dahinter.«
Shemaine legte ihrem Mann einen Arm um die Hüften, lehnte sich gegen seine kräftige,
hochgewachsene Gestalt und lächelte ihren Vater an, während sie ihn ermutigte, die Sache endgültig
klarzustellen. »Jetzt möchtest du ihn doch nicht mehr kastrieren, oder, Papa? Schließlich würde das
bedeuten, daß du nur das eine Enkelkind bekommen würdest, das ich jetzt unterm Herzen trage.«
Eine gequälte Röte überzog das Gesicht ihres Vaters. »Deine Mutter und ich wollten immer eine große
Familie, aber es hat nicht sollen sein. Mehrere Enkelkinder würden uns sehr gefallen.«
»Dann sag es, Papa!« bat Shemaine inständig.
Shemus räusperte sich und begann, sich mit stockender Stimme zu entschuldigen. »Es tut mir leid, was
ich gesagt habe... daß ich Ihnen was abschneiden wollte, Gage, aber... damals... konnte ich nur denken, daß Sie meine Tochter zu irgend etwas gezwungen hatten. Können Sie mir verzeihen?«
»Ich verstehe, daß Sie sich Sorgen um Shemaine gemacht haben. Ich hätte wohl ähnlich gehandelt,
wenn es meine Tochter gewesen wäre.« Gage streckte versöhnlich die Hand aus und lächelte, als der
Ire bereitwillig einschlug. »Wir haben ein gemeinsames Ziel, Sir, und das ist Shemaines Wohlergehen.
Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um sie glücklich
zu machen.«
Shemus lachte befreit und legte nun auch noch seine andere Hand auf die seines Schwiegersohns, um
seiner aufrichtigen Freude Ausdruck zu verleihen. »Ich bin glücklich, daß Sie es waren, der
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Shemaine gekauft hat, Sir. Ansonsten hätte ihr Abenteuer möglicherweise ein furchtbares Ende
genommen.«
Nun sprach Shemaine das aus, was ihr schon seit längerem auf dem Herzen lag. »Vor meiner
Verhaftung, Papa, lebte ich in einer wunderschönen, behüteten Welt. Gegen meinen Willen wurde
mein Leben auf einen völlig anderen Kurs gebracht. Und doch kann ich, wenn ich nun zurückschaue,
nur glauben, daß eine wissende, gütige Hand mich durch alles Elend geleitet hat. Heute empfinde ich
unendliches Glück und grenzenlose Liebe für meinen Mann, für meinen Sohn, für das Kind, das ich
unterm Herzen trage... und für unsere Familien.«
»Hört, hört!« rief Gage beeindruckt, und William und Shemus fielen wie aus einem Munde begeistert
mit ein: »Hört, hört!«
Die schäumenden Wellen liefen zu beiden Seiten der Blue Falcon ab, während das Schiff auf seinem Weg zum offenen Meer hinaus mühelos das Wasser teilte. Die weißen Segel blähten sich stramm in dem Wind, der das Schiff vor sich hertrieb, und unter dem klaren blauen Himmel blendete fast das
leuchtendweiße Tuch die auf Deck versammelten Teilnehmer dieser Jungfernfahrt. Alle empfanden
geradezu ehrfürchtig die Eleganz und Vollkommenheit dieses Schiffes.
»Was für ein herrliches Schiff!« rief Nathaniel Beauchamp und warf einen Blick auf den Mann neben
sich. »Und Sie, Sir, haben ein Wunder geschaffen!«
Gage hatte Mühe, sein Glücksgefühl unter Kontrolle zu halten. Ihm war sein Traum, sein Lebenswerk,
wirklich gelungen! All seine Zweifel, sein Ringen um die nackte Existenz, waren vergessen. Er hatte
es geschafft. Wortlos blickte er zum Rahsegel empor, dankbar für alles, wozu Gott ihm die Gaben
geschenkt hatte.
William Thornton
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