Wie Blueten Am Fluss
dieser Mann heute einnimmt.«
Edith stöhnte leise bei der Nachricht, daß Shemaine wohlauf sei, aber sie war eine talentierte
Schauspielerin. »Deinen ganzen Reichtum?« Sie zwang sich, über die allzu hohe Versicherung ihres
Enkelsohns zu lachen, und tat seine Behauptung mit einer amüsierten Handbewegung ab. »Wirklich,
Maurice, kein Mann, der noch recht bei Verstand ist, würde ein Vermögen wie das deine für so ein
kleines Nichts von einem Mädchen aufgeben...«
»Ihr Name ist Shemaine, Großmutter«, erwiderte er in eisigem Tonfall. »Jetzt Shemaine Thornton. Es
hätte Lady Shemaine du Mercer heißen sollen. Wärest du nicht gewesen, wäre es auch so gekommen.«
»Ich bitte dich, Maurice, du bist überreizt und weißt nicht, was du sagst.«
»Ich weiß ganz genau, was ich sage.« Maurice ließ eine Hand in die Tasche seiner Weste gleiten und
holte den weichen Lederbeutel heraus. Mit einer Drehung seines Handgelenks warf er ihn auf den
Tisch vor seine Großmutter. Er landete mit einem vernehmlichen
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Klirren von Münzen. »Erkennst du das, Großmutter?« fragte er schneidend. »Du warst doch immer so
stolz auf deinen schlichten, aber eleganten Geschmack. Ich brauchte nicht einmal hineinzuschauen und
deine Initialen zu sehen, um zu wissen, daß er dir gehört. Ich frage mich, wie viele von diesen schönen Lederbeuteln du dir im Laufe der Jahre wohl gemacht haben wirst. Ich habe sie mein ganzes Leben lang zu Gesicht bekommen. Als ich noch klein war, hast du mir auch einige dieser Beutel geschenkt.
Du hast damals versucht, mir den Wert einer Münze klarzumachen, erinnerst du dich noch?«
Ediths Gesicht war eine undurchdringliche Maske, die wirkungsvoll den inneren Aufruhr verbarg, der
in ihr tobte. Der Tonfall ihres Enkels enthüllte weit mehr, als seine Worte bisher verraten hatten. Tief in ihrem Herzen wußte sie, daß sie dieses mörderische Spiel verloren hatte - wegen eines dummen Fehlers, für den sie allein die Verantwortung trug! Sie hatte Morrisa die Geldbörse gegeben und sie
angewiesen, Potts einige Münzen auszuzahlen und ihm noch mehr zu versprechen, um seinen Auftrag
zu beschleunigen. Woher hätte sie wissen sollen, daß Morrisa ihm die wenigen Münzen in dem
Lederbeutel verpackt geben würde - und damit ihr Geheimnis lüftete?
»Wie bist du zu dieser Börse gekommen?« fragte Edith unschuldig. »Ich dachte, ich hätte sie
verloren.«
Maurice tat diese Möglichkeit mit einem zynischen Schnauben ab. »Du hast sie nicht verloren. Du hast
sie Potts gegeben, als du ihn ausschicktest, Shemaine zu töten. Aber er hat keinen Erfolg gehabt,
Großmutter, und mit seinem Leben dafür bezahlt. Dieses kleine Nichts von einem Mädchen, das du
nicht ausstehen kannst, hat ihn erschossen, als er versuchte, ihren Mann zu töten. Wahrscheinlich hast du auch Roxanne Corbin eine beachtliche Belohnung in Aussicht gestellt, aber auch sie wird nicht zurückkehren... es sei denn, in dem Sarg, den Gage Thornton für sie gezimmert hat. Was ich gerne
wüßte, Großmutter, ist, wie du so grausam zu mir sein konntest... und zu meiner Verlobten.«
Edith du Mercer saß in würdevollem Schweigen da und weigerte sich zu antworten, während sie
blicklos durch den Raum schaute.
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Mit weißen Knöcheln umklammerte sie den Silbergriff ihres Gehstocks, den sie gegen den
Holzfußboden gestemmt hatte.
»Antworte mir« fuhr Maurice sie an. Dann schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch, so daß seine Großmutter erschrocken aufkeuchte. »Verdammt sollst du sein für dein kaltes, unmenschliches Herz!«
stieß er angeekelt hervor. »Ich weiß jetzt, daß du mit käuflichen Richtern unter einer Decke gesteckt
haben mußt, um in deinem maßlosen Ehrgeiz Shemaines Verhaftung in London zu arrangieren und
ihre Verbannung aus England. Die ganze Zeit über hast du wahrscheinlich obendrein geglaubt, mir
einen guten Dienst zu erweisen... für meinen Ruhm und meine Zukunft als Marquis. Es tut mir in der
Seele weh, zu denken, was Shemaine deinetwegen gelitten hat. Nachdem die O'Hearns herausfanden,
was ihr zugestoßen war, wollte ich einfach nicht glauben, daß du deine Hand dabei im Spiel haben
könntest. Aber ihr Verschwinden kaum einen Monat nach unserer Verlobung war allzu auffällig. Du
warst merkwürdig gelassen in deinen Versicherungen mir gegenüber, daß Shemaine gefunden werden
würde. Ich habe weit mehr Entsetzen in deinen Augen gesehen, als ich dir meine Absicht kundtat, sie
zu heiraten.« Er
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