Wie Blueten Am Fluss
Umschweife. »Du
kannst dir ein Schlafzimmer auf dem Dachboden einrichten.« Er bedeutete ihr, ihm zu folgen, und
ging durch den großen Raum und die Tür rechts von der Feuerstelle in den Flur, der zu der Veranda
hinterm Haus führte. An dessen rechter Wand stand unter einem hohen, schmalen Schrank ein großer
Zeichentisch. Links befand sich eine Treppe, über die man auf den Dachboden gelangte.
Gage deutete mit der Hand auf die Treppe und ließ sie vorgehen. Er mochte den Blick gar nicht mehr
von ihr abwenden, während sie die Stufen hinaufstieg, denn ihr Gang war von einer Anmut und
Eleganz, die auch von ihren zerlumpten Gewändern nicht beeinträchtigt wurde. Oben ließ er ihr Zeit,
den Raum zu inspizieren. Schweigend blieb sie neben dem schmalen Bett stehen, ließ dann den Blick
über die wenigen anderen Möbel und die kleine Feueröffnung schweifen und ging darin zum
Geländer, um einen Blick auf das Wohnzimmer unten zu werfen. Als sie wieder vor dem Bett stand,
ließ sie die Finger nachdenklich über die Oberfläche des grob gearbeiteten Tisches direkt daneben
gleiten.
»Ich weiß, es ist ziemlich eng hier oben«, räumte Gage nach einem Augenblick des Schweigens ein.
»Aber es ist das Beste, was ich zu bieten habe, wenn du ein Zimmer für dich allein möchtest. Heute
nachmittag spanne ich ein Seil über die Balustrade und hänge ein paar Segeltücher darüber, damit du
hier oben ungestört bist.«
»Das ist viel mehr, als ich jemals erwartet hätte, Mr. Thornton.«
Gerührt von seiner Freundlichkeit versuchte Shemaine, sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu
lassen, aber als sie sprach, lag doch ein leises Beben in ihrer Stimme. »Verglichen mit der Zelle, die ich mir auf dem Schiff mit den anderen Frauen geteilt habe, erscheint mir dies hier wie ein luxuriöses, üppiges Gemach. Und es ist mir ein großer Trost, zu wissen, daß ich in etwas Besserem als einem Kabelgatt ein wenig Ungestörtheit werde genießen dürfen.«
Gage bedachte sie mit einem prüfenden Blick und bemerkte den Tränenglanz in ihren schimmernden
Augen. In verlegenem Schweigen trat sie einen Schritt zurück. Um ihr weitere Verlegenheit zu
ersparen, ging er zur Treppe und stieg langsam die Stufen hinab.
»Hier habe ich meine ersten Möbel gefertigt«, erklärte er, nachdem sie ihm gefolgt war. »Das erste
Stück war ein Kuriositätenkabinett für eine wohlhabende Dame, die mir zusagte, das Stück zu kaufen,
wenn es ihr gefiele. Seither habe ich eine ganze Anzahl Möbel für sie gemacht. Augenblicklich arbeite
ich auch wieder an einem Auftrag für sie.«
Er deutete flüchtig auf die schräge Fläche des Zeichentisches, die mehrere Zeichnungen des Möbels in
verschiedenen Stadien der Fertigung zeigten. Seine Begabung für die Möbeltischlerei begann
anscheinend beim Zeichnen; seine Skizzen waren genauso schön und präzise ausgearbeitet, wie das
fertige Möbelstück selbst es einmal sein würde.
Shemaines Blick wanderte hinauf zu dem schmalen Schrank, der an der Wand über dem Zeichentisch
hing. Dort stapelten sich in den kleinen Schubladen und Fächern verschiedene Rechnungsbücher,
zusammengerollte Pergamente und Zeichnungen. Das kleine Schränkchen quoll schier über und legte
Zeugnis ab für das Ausmaß der Arbeit, die ihr Herr an seinem Zeichentisch verrichtete.
»Da ich während der letzen Jahre immer mehr Aufträge bekam, mußte ich die Werkstatt schließlich
verlegen. Sie ist jetzt in dem großen Schuppen am Ende des Weges, der hinter dem Haus beginnt.
Zwei meiner Männer haben von Anfang an für mich gearbeitet. Als sie in meinen Dienst traten, waren
sie absolute Neulinge und konnten nicht einmal ein Ahorn-von einem Eichenbrett unterscheiden.
Selbst wie man richtig sägt, mußten sie erst lernen. Ich
habe es nicht gewagt, ihnen größere Arbeiten anzuvertrauen. Aber im Laufe der Jahre haben sowohl
Ramsey Täte als auch Sly Tucker größere Fortschritte gemacht, als ich mir damals hätte träumen
lassen. Jetzt betrachte ich sie als zwei der besten Möbelschreiner hier in der Gegend. Vor kurzem habe ich zwei neue Lehrlinge angenommen, einen jungen Deutschen und einen Burschen aus Yorktown, aber über die Säge sind die beiden bisher noch nicht hinausgekommen. Um diese Zeit arbeite ich für
gewöhnlich mit ihnen zusammen in der Werkstatt oder helfe dem alten Schiffszimmermann und
seinem Sohn. Heute nachmittag aber habe ich allen freigegeben, damit sie eigene Angelegenheiten
erledigen
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