Wie Blueten Am Fluss
kleinen Schubkästchen und Fächer des Möbels sehen konnte, die eine Vielzahl kleiner
Kuriositäten beherbergten. Das Ganze wurde majestätisch gekrönt von einem Paar spiralförmiger
Blattschnitzereien links und rechts und einer fein modulierten Muschel in der Mitte -zweifellos die
Handarbeit ihres neuen Herrn.
Shemaine drehte sich voller Staunen langsam um. Die kostbare Einrichtung war ein Luxus, den sie
hier in den Kolonien nicht erwartet hätte. In der Tat gab es so viele schöne Möbelstücke, daß sie sie
mit einem einzigen Blick gar nicht alle erfassen konnte. Ein Sofa und zwei große Ohrensessel, die in
einem schottischen Karomuster gepolstert waren, gehörten zu einer kleinen Sitzgruppe in
unmittelbarer Nähe des Sekretärs.
Im Küchenteil des Raumes säumten eine hölzerne Spüle, ein Arbeitstisch und ein hoher Schrank die
Innenwand links des Herds. Nur wenige Schritte weiter standen zwei Holzbänke mit hohen
Rückenlehnen zu beiden Seiten eines auf Böcken stehenden Eßtischs einander gegenüber. Am Tisch
fehlte auch ein Kinderhochstuhl nicht. Und an der Feuerstelle stand ein Schaukelstuhl, so daß man dort die Wärme des Feuers genießen und den hinteren Flur im Blick behalten konnte.
Die steinerne Feuerstelle hatte eine Öffnung, die beinahe so groß war wie Shemaine. Es gab darin
allerlei Haken und Stützen, auf denen die eisernen Kessel und Pfannen über dem Hauptfeuer erhitzt
werden konnten. An einer Seite stand ein eiserner Ofen, der bequem innerhalb der Feuerstelle zu
bewegen war, so daß man ihn beliebig in die Hitze des Feuers schieben konnte. Der massiv ge—
baute Kamin führte durch die Zwischendecke zum hohen Dach hinauf.
»Haben Sie dieses Haus mitsamt der Einrichtung selbst gebaut?« fragte Shemaine, während sie sich
beeindruckt zu Gage umdrehte.
»Na ja, ich habe gleich nach meiner Ankunft hier eine kleine Hütte für mich selbst gebaut, und als ich Victoria heiratete, habe ich die Hütte vergrößert und nach und nach die Möbel für sie gemacht.« Sein Blick flackerte durch den Raum und heftete sich kurz auf vertraute Ecken und Winkel. »Sie war
diejenige, die hier ein Zuhause für uns geschaffen hat. Sie konnte so gut mit einer Nadel umgehen wie
nur je eine Frau, die ich gekannt habe.« Er zeigte auf das Sofa und die Sessel. »Sie hat mich gebeten, einem Schotten um einen Tisch diesen Karostoff abzuhandeln. Als ich die Rahmen fertig hatte, hat sie die Sitze mit Roßhaar gepolstert und erst mit Segeltuch und dann mit dem Wollstoff bezogen.«
»Sie müssen sie furchtbar vermissen«, sagte Shemaine leise, denn der seltsame Klang seiner Stimme
war ihr nicht entgangen.
»Ja, ich denke viel an sie, wenn ich nichts zu tun habe«, gab er zu. Er hängte das Handtuch wieder an
den Haken. »Aber wenn du ins Dorf gehst, wirst du gegenteilige Gerüchte zu hören bekommen. Alma
Pettycomb und andere Lästermäuler im Weiler bezweifeln, daß ich je irgend etwas anderes lieben
konnte als das Schiff, das ich baue.«
»Ich glaube nicht, daß ich allzuviel darauf geben werde, was Mrs. Pettycomb zu sagen hat«, bemerkte
Shemaine mit einiger Ironie. Für sie stand bereits fest, daß diese Frau es kaum wert war, daß man sie
kannte, geschweige denn, daß man auf ihr Geschwätz hörte. »Wenn Sie all diese Möbel für Ihre Frau
gemacht haben, dann fällt es zumindest mir nicht schwer, zu glauben, daß Sie sie sehr geliebt haben.«
Sein Lächeln, das ebensoschnell verschwand, wie es aufgeblitzt war, blieb Gages einzige Antwort.
Dann trat er ans Feuer, fachte die Glut an und legte mehrere Holzscheite nach.
Während er sich um das Feuer kümmerte, fiel Shemaine auf, daß sie bisher niemanden sonst in der
Hütte gesehen hatte. »Wo ist denn Ihr Sohn?«
Gage hängte einen großen Kessel mit Wasser über die frisch entfachten Flammen und wies, während
er sich zu ihr umdrehte, unbestimmt nach Westen. »Ich habe ihn bei einer Nachbarin gelassen, die ein
kleines Stück flußaufwärts wohnt. Wenn Hannah Fields nicht einen Ehemann und sieben eigene
Kinder zu versorgen hätte, hätte ich sie vielleicht eingestellt, um für uns zu kochen und
sauberzumachen. Andererseits suchte ich eigentlich jemanden, der meinen Sohn auch unterrichten
kann, und das würde Hannahs Fähigkeiten eindeutig übersteigen. Sie ist eine gute Frau, die sich nicht
vor harter Arbeit scheut, und Andrew freut sich jedesmal, wenn er Gelegenheit hat, mit ihren beiden
Jüngsten, Malcolm und Duncan, zu spielen.
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