Wie Blueten Am Fluss
Nachmittagstees mit ihrer Familie gedacht. Diese Erinnerungen
stellten sich nun wieder ein, während sie den Grundteig zubereitete. Als der Teig fertig war, deckte sie die Schüssel mit einem Tuch ab und stellte sie in die Wärme des Kamins, wo der Teig noch einmal gehen konnte, während sie selbst ihre Toilette beendete.
Es war eine schier endlose Plackerei, die hartnäckigen Knoten aus ihrem nassen Haar zu bekommen,
während sie vor dem Feuer
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saß. Diese Aufgabe erforderte viel mehr Zeit, als Shemaine erwartet hatte. Schließlich verfiel sie in
nervöse Hast, denn der Nachmittag schien wie im Flug zu vergehen. In ihrer Verzweiflung suchte sie
nach einer Schere, um kurzen Prozeß mit ihrem Haar zu machen, fand aber nichts Besseres als ein
Fleischermesser. Bei dem Gedanken an das Unheil, das dieses Werkzeug anrichten konnte, schlug sie
sich das Ganze sofort aus dem Kopf.
In der Kommode hatte sie zuvor eine Bürste gefunden, an der noch mehrere lange, blonde Haare
hafteten. Obwohl ihr neuer Herr ihr die Erlaubnis gegeben hatte, zu benutzen, was immer sie
benötigte, konnte Shemaine sich nicht dazu überwinden, ein so kostbares Andenken zu zerstören. Statt
dessen durchsuchte sie die Utensilien des Mannes und stellte dabei fest, daß der größte Teil seiner
Kleidung und Unterwäsche säuberlich sortiert und aufgestapelt in seinem Kleiderschrank lag. Die
einzige Ausnahme bildete ein Bündel zerknitterter Hemden von viel feinerer Qualität als das
Kleidungsstück aus selbstgesponnener Wolle, das er im Augenblick trug. Die Sachen lagen
zusammengeknüllt ganz hinten in dem Kleiderschrank und waren bereits so lange dort, daß sie den
Geruch des Holzes angenommen hatten. So angenehm dieser Duft auch war Shemaine beschloß, sich
dieser Hemden bei der nächsten Wäsche anzunehmen.
Es begann von neuem heftig zu regnen, und da Shemaine nicht wußte, ob das Unwetter Mr. Thorntons
Rückkehr verzögern oder beschleunigen würde, wagte sie es nicht, sich noch viel länger mit ihrem
Haar aufzuhalten. In einer Schublade des Rasiertisches fand sie schließlich eine Bürste und benutzte
sie, um auch noch die letzten verfilzten Locken auszubürsten. Ihr schweres Haar war immer noch
leicht feucht, als sie es flocht und die beiden Zöpfe zu einem Knoten im Nacken zusammenband. Dann
wusch sie die Bürste aus, trocknete sie und legte sie wieder dorthin zurück, wo sie sie gefunden hatte -
in der Hoffnung, ihr Herr werde nicht bemerken, daß sie sie während seiner Abwesenheit benutzt
hatte.
Beide Kleider waren, wie Gage vorhergesagt hatte, zu lang und saßen über ihren Brüsten ein wenig zu
stramm. Es erstaunte Shemaine, daß ein Mann sich ein volles Jahr nach deren Tod noch mit solcher
Genauigkeit seiner Frau erinnern konnte, um ihre Maße mit denen einer anderen Frau exakt
vergleichen zu können. Die Mieder der Kleider ließen sich nicht weiter auslassen, wie Shemaine
feststellte, nachdem sie die Nähte begutachtet hatte. Auch mit den Säumen würde sie sich erst
beschäftigen können, wenn sie etwas mehr Zeit hatte. Sie entschied sich nur deshalb für das grüne
Gewand, weil es eine Spur kürzer zu sein schien als das andere. Nachdem sie in die Schuhe geschlüpft
war, band sie sie mit dünnen Schnüren aus Tierfell fest, damit sie mit den Füßen nicht herausrutschte, und wickelte die Kordeln um ihre Knöchel, bevor sie sie verknotete. Als sie sah, wie rot und angeschwollen ihre Knöchel durch das beständige Reiben der Fußfesseln geworden waren, zog sie
angewidert die Nase kraus.
Shemaine überprüfte den Teig und stellte sehr zu ihrer Erleichterung und Freude fest, daß er trotz der knappen Zeit recht gut aufgegangen war. Sie fügte die nächsten Zutaten hinzu, bis er die richtige Beschaffenheit hatte. Dann setzte sie das Ganze wieder in die Nähe der Feuerstelle, bevor sie sich
daranmachte, Staub zu wischen und die Hütte aufzuräumen.
Sobald der Teig das zweite Mal genügend gegangen war, legte Shemaine eine Eisenplatte auf die
Stützen über der Feuerstelle, so daß die Flammen sie auf die richtige Temperatur erhitzen konnten.
Fest entschlossen, ihrem neuen Herrn am Nachmittag zu einer leichten, angenehmen Stärkung zu
verhelfen, ließ sie einen Kessel Tee nahe beim Feuer ziehen und hoffte inbrünstig, daß er rechtzeitig
zurückkehren würde, um die Waffeln und den Tee zu kosten, solange beides noch frisch und heiß war.
Obwohl ihre Lektionen schon Jahre zurücklagen, hatten die
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