Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
dichte Felder
    rosafarbener und weißer Blütenblätter auf dem Wasser. Der Wind hatte sie von den knorrigen
    Obstbäumen des Ufers abgerissen, unter denen sie dicke Teppiche auf dem Fluß bildeten. Andere
    wurden von der Strömung erfaßt und mitgerissen, eine Zeitlang mutwillig hin und her geworfen, bevor
    sie in die Tiefe gezogen wurden. Shemaine, die sich genauso verletzlich fühlte wie diese zarten
    Blütenblätter, grübelte über die Ähnlichkeit zwischen ihrem eigenen Leben und der kurzen Flußfahrt
    dieser Blätter. Gegen ihren Willen war sie über einen ganzen Ozean gesegelt und trieb jetzt einem
    unbekannten Schicksal entgegen. Nur die Zeit würde offenbaren, ob sie weiter in den verhängnisvollen
    Strudel von Unglück und Schmerz gerissen wurde oder ob für sie irgendwann wieder einmal die
    Sonne scheinen würde.
    Ein sandiger Seitenarm kam in Sicht, an dessen Ufer ein halbfertiges Schiff abgestützt auf Stapel lag.
    Niemand mußte Shemaine sagen, daß dies der Platz war, wo Gage Thornton seinen Traum zu
    verwirklichen trachtete. Als sie näher kamen, schien das Schiff wie ein hohes Gebäude über ihnen
    aufzuragen, um einiges größer, als Shemaine es sich vorgestellt hätte. Dies würde wahrhaftig ein
    Segelschiff für die hohe See werden, dachte sie voller Ehrfurcht und begriff plötzlich, wie
    leidenschaftlich und wagemutig der Mann sein mußte, der dieses Schiff entworfen hatte.
    Etwas höher auf dem Ufer hinter dem Schiff stand ein großes Blockhaus. Sein steiles Dach ragte in die
    grauen Nebelschwaden, die dicht über die hohen Kiefern und Laubbäume im Umkreis der
    Hütte hinwegzogen. Die Zweige der Bäume bogen sich mit klagendem Wimmern in den heftigen
    Sturmböen.
    Gage steuerte das Kanu an das seichte Ufer, sprang an Land und zog das Boot aus dem Fluß. Die
    kalten Regentropfen prasselten immer noch heftig auf sie hernieder, als er Shemaine hochhob und mit
    ihr zur Hütte lief. Ohne spürbare Mühe sprang er die Stufen hinauf, durchmaß mit zwei langen
    Schritten die überdachte Veranda und hob den Riegel an, während er gleichzeitig die schwere Holztür
    mit der Schulter aufdrückte. Sobald sie im Haus waren, schloß er die Eingangstüre mit einem
    beherzten Tritt und setzte Shemaine vorsichtig ab. Dann nahm er ein Handtuch von einem Haken in
    der Nähe der Tür und trocknete sich Gesicht und Arme ab, bevor er durch die geräumige Hütte ging
    und mehrere Laternen entzündete.
    »Ich werde die Fensterläden erst öffnen, wenn der Wind sich gelegt hat«, bemerkte Gage. Mit einer
    knappen Geste lenkte er Shemaines Aufmerksamkeit auf die kleinen Fenster, die in gleichmäßigen
    Abständen in das Zypressenholz der Wände eingelassen waren. Außer den unter dem überhängenden
    Dach der Veranda vor und hinter dem Haus einigermaßen geschützten Fenstern waren alle anderen
    durch hölzerne Läden von außen verschlossen und verriegelt. »Ich habe die Glasscheiben erst einige
    Monate vor dem Tod meiner Frau eingesetzt, und das war weder einfach noch billig. Wenn sich ein
    Sturm zusammenbraut, schließe ich für gewöhnlich die Läden, damit keine Fensterscheiben
    eingedrückt werden.«
    Der Zauber und die Behaglichkeit der Hütte hatten Shemaine sofort beeindruckt. »Wie gemütlich es
    hier ist mit den Laternen.«
    Die Zwischendecke wurde von einer Innenwand im Erdgeschoß gestützt, ragte aber etwas über diese
    Wand hinaus; wo der Überhang zu Ende war, befand sich linker Hand ein großer steinerner Feuerplatz
    mit Vorrichtungen zum Kochen. Gleich rechts neben der Feuerstelle und direkt dem Vordereingang
    gegenüber führte eine Tür auf einen breiten Flur mit einem Fenster und einem Hinterausgang. Am
    anderen Ende der Innenwand stand eine zweite Tür einen Spaltbreit offen und gab den Blick auf einen
    säuberlich geordneten Lagerraum frei. Eine weitere Wand verlief parallel zu

84
    den Seitenwänden; durch eine offene Tür darin, rechts des Eingangs, war ein geräumiges
    Schlafzimmer zu sehen.
    Die Einrichtung mußte, wie Shemaine sogleich sah, ein begabter Künstler geschaffen haben, denn sie
    war ebenso schön und elegant wie die Möbel ihrer Eltern in England. Das bemerkenswerteste Stück
    von allen war ein großer Sekretär, der neben der Tür an der Wand zum Schlafzimmer stand.
    Schnitzereien in Form von Muscheln, schön geschwungene Schubläden und Türen mit Maserknollen—
    Furnier verliehen ihm besondere Eleganz. Die lederbezogene Schreibfläche war aufgeklappt, so daß
    man die vielen

Weitere Kostenlose Bücher