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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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vollkommen unwissend. Dennoch fürchtete sie, was das andere Geschlecht
    betraf, nicht ganz so bewandert zu sein, wie ihr Herr das vielleicht annahm.
    Kurze Zeit später kehrte Gage zurück und ging mit dem Jungen zum Ständer mit der Waschschüssel,
    der im Küchenbereich des Raumes stand. Dort entlockte er dem Kleinen weiteres glockenhelles
    Gelächter, während er ihm spielerisch Gesicht und Hände wusch.
    Da der Frühstückstisch für die kleine Familie nun gedeckt war, glaubte Shemaine auf ihr Zimmer
    entkommen zu können. Es widerstrebte ihr, den beiden anderen das Frühstück mit ihrem ungepflegten
    Äußeren zu verderben. Daher war sie fest entschlossen, sich zurückzuziehen, sobald Gage seinen Sohn
    in den Hochstuhl
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    gesetzt hatte. Sie ging an den beiden anderen vorbei auf die Flurtüre zu, aber ihr Herr, der ihre Absicht erahnte, streckte die Hand aus und hielt sie am Arm fest.
    Überrascht suchte Shemaine in den sonnengebräunten Zügen nach einem Anzeichen für die Laune und
    die Wünsche ihres Herrn. Das Zittern ihrer Stimme brachte ihr zu Bewußtsein, wie schreckhaft sie
    doch geworden war, denn sie begegnete dem Mann mit der gleichen Scheu, mit der sein Sohn sich ihr
    gegenüber benahm. »Wünschen Sie sonst noch etwas, Mr. Thornton?«
    »Jawohl, Shemaine, das tue ich.« Sein Lächeln war so flüchtig, daß Shemaine es kaum wahrnahm.
    »Ich möchte, daß du bleibst und mit uns frühstückst.«
    Verlegen verschränkte sie die Arme vor dem Busen, denn sie war sich nicht ganz sicher, ob er
    vielleicht etwas davon zu sehen bekam. »Ich bin noch nicht ordentlich angezogen, Sir.«
    »Du siehst sehr hübsch aus«, beruhigte Gage sie, und sein Blick huschte für einen Moment über ihr
    Gesicht und die gelockten Haarsträhnen, die es keck umrahmten. Es hatte ihn immer verblüfft, wie
    liebreizend Victoria ausgesehen hatte, wenn sie im Nachthemd und mit bloßen Füßen in der Küche
    umhergelaufen war. Seit ihrem Tod war ihm dieser Teil der Hütte auf seltsame, quälende Weise leer
    erschienen, selbst wenn Roxanne sich darin betätigt hatte. Aber dieses Mädchen mit dem zerzausten
    Pferdeschwanz und dem Mehlfleck auf der vorwitzigen Nase füllte diese gähnende Lücke mit Wärme
    und Leben. Er wollte ihre Gegenwart auskosten, und dann würde die Erinnerung an die schreckliche
    Leere hoffentlich für alle Zeit aus seinem Bewußtsein schwinden.
    »Ich glaube nicht, daß Andrew und ich jemals vor einem so köstlichen Frühstück gesessen haben wie
    dem, das du uns heute morgen zubereitet hast, Shemaine. Roxanne mußte immer erst das Frühstück
    für ihren Vater richten, bevor sie hier herauskam. Deshalb fiel mir die Aufgabe zu, für den Jungen und mich irgend etwas auf den Tisch zu bringen. Ich kann dir aufrichtig versichern, daß das bestenfalls traurige Versuche gewesen sind. Und auf das Vergnügen der Anwesenheit einer schönen Frau am
    Tisch des Hauses haben wir seit Victorias Tod verzichten müssen. Ich würde mich
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    freuen, wenn du hier bei uns bliebest, Shemaine, gerade so, wie du jetzt bist. Willst du mir den
    Gefallen tun?«
    Der eindringliche Blick, den er auf ihr Gesicht richtete, stürzte Shemaine nicht weniger in
    Verlegenheit als seine frühere Musterung ihrer Gestalt, aber sie hielt es für klug, sich nicht darüber zu beklagen. Wenn er sich darauf beschränkte, sie nur anzusehen, dann durfte sie sich wahrhaft glücklich schätzen. »Wenn Sie es so wünschen, Sir.«
    »Ja, das tue ich«, nickte Gage und beugte sich ein klein wenig vor, um den Duft ihres Haares
    einzuatmen. »Du riechst auch angenehm.«
    Shemaine, die seine eindringliche Aufmerksamkeit aus dem Gleichgewicht brachte, fuhr sich mit den
    Fingern nervös durch die Löckchen, die sich an ihren Schläfen aus ihrer Frisur befreit hatten, und
    wünschte inbrünstig, sie könnte sich in die Sicherheit des Dachbodens zurückziehen. »Ich rieche
    wahrscheinlich nach Brot...«
    »Wie jede Frau, wenn sie sich in der Küche betätigt hat«, griente Gage galant. Dann deutete er
    einladend auf die Bank, auf der sie am Abend zuvor gesessen hatte. »Nach dir, Shemaine.«
    Gehorsam ließ sie sich auf ihren Platz gleiten und nahm die Teetasse entgegen, die er ihr reichte.
    Andrew legte den Kopf schief und sah sie neugierig an. Sie lächelte ihm aufmunternd zu und griff
    nach einem Stück Brot, dem sie vor dem Backen die Gestalt eines Mannes gegeben hatte.
    »Das ist für dich, Andrew«, sagte sie und hielt ihm das Brot hin.
    »Papa!« rief er

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