Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
Würde Mia noch mit der Tochter einer Drogensüchtigen befreundet sein wollen?
Gegen fünf Uhr sprang die Haustür auf, und eine Gruppe Jugendlicher stürmte herein.
»Schuhe!«, schrie Jude, ohne aufzublicken, von der Küche aus.
Neun oder zehn Teenager kamen herein, Jungen und Mädchen. Lexi sah ihnen an, dass sie die In-Group waren. Jeder hätte das bemerkt: Die Mädchen waren hübsch und trugen Hüftjeans und bauchfreie T-Shirts, die Jungen die blaugelben Sweatshirts der Pine Island Highschool. Wahrscheinlich kamen sie vom Football- und Cheerleader-Training.
»Mein Bruder ist der mit dem grauen Sweatshirt«, sagte Mia und beugte sich zu Lexi. »Beurteile ihn nicht nach seinen Freunden. Die Mädels haben allesamt Spatzenhirne.«
Es war der Junge aus der ersten Stunde.
Er löste sich mit dem Selbstbewusstsein des beliebten Schülers von der Gruppe, trat zu Mia und legte ihr einen Arm um die Schultern. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war verblüffend: Mias Gesicht war die weibliche Version seines Gesichts, nur ihre Gesichtszüge waren etwas feiner. Gerade wollte er etwas zu seiner Schwester sagen, da fiel sein Blick auf Lexi. Er stutzte und sah sie dann so durchdringend an, dass sie spürte, wie es in ihrer Brust wieder zu flattern anfing. Noch nie hatte sie jemand so angesehen. So, als wäre alles an ihr interessant.
»Du bist die Neue«, sagte er leise und schob sich das lange blonde Haar aus dem Gesicht.
»Sie ist meine Freundin.« Mia grinste so breit, dass ihre bunte Spange in ganzer Pracht zu sehen war.
Sein Lächeln schwand.
»Ich bin Lexi«, stellte sie sich vor, obwohl er nicht danach gefragt hatte.
Gleichgültig wandte er den Blick ab. »Ich bin Zach.«
Ein Mädchen in winzigen Shorts und bauchfreiem Top trat zu ihm, schmiegte sich an ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er lachte nicht, lächelte nicht mal, sondern entfernte sich nur von Lexi und Mia. »Bis später, Me-my«, sagte er zu seiner Schwester. Dann schlang er einen Arm um das Mädchen mit den kurzen Shorts, ging mit ihr die Treppe hinauf und verschwand in der Gruppe der nach oben stürmenden Teenager.
Mia sah Lexi stirnrunzelnd an. »War das falsch, Lexi? Aber es ist doch okay, wenn ich dich als meine Freundin bezeichne, oder?«
Lexi starrte verwirrt auf die Stelle, wo er eben noch gewesen war. Er hatte sie doch angelächelt, oder? Ganz am Anfang, eine Sekunde? Was hatte sie falsch gemacht?
»Lexi? Ist es okay, wenn ich den anderen sage, du seist meine Freundin?«
Geräuschvoll stieß Lexi die Luft aus, die sie angehalten hatte. Mühsam wandte sie ihren Blick von der Treppe ab. Als sie Mias Nervosität bemerkte, wurde ihr klar, was jetzt wichtig war – und das war kein Typ wie Zach. Kein Wunder, dass er sie verwirrt hatte. Für ein Mädchen, das im Elend aufgewachsen war, würde er immer tabu bleiben. Jetzt waren nur Mia wichtig und die zarten Anfänge ihrer Freundschaft. »Natürlich«, sagte sie lächelnd. Dieses eine Mal machten ihr ihre schiefen Zähne nichts aus. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie auch Mia nichts ausmachten. »Du kannst es allen erzählen.«
Wie üblich war das Fernsehzimmer voller Kinder. Manchen Frauen wären das Chaos und der Lärm zu viel gewesen, aber nicht Jude. Vor Jahren schon, als die Zwillinge in die sechste Klasse kamen, hatte sie alles darangesetzt, ihr Haus so einladend wie möglich zu machen. Sie wollte, dass ihre Kinder ihre Zeit hier verbrachten. Sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie sie nicht in die Obhut von anderen geben wollte; sie wollte sich selbst um sie kümmern. Daher hatte sie die obere Etage ganz bewusst gestaltet, und es hatte funktioniert. An manchen Tagen hatte sie bis zu fünfzehn Kinder hier, die sich wie Heuschrecken durch ihre Süßigkeitenvorräte fraßen. Aber wenigstens wusste sie, wo ihre Zwillinge sich aufhielten. Sie wusste, dass sie in Sicherheit waren.
Als sie jetzt die holzgerahmten Glastüren des riesigen Raums öffnete und sie weit aufzog, hörte sie, dass oben etwas in Bewegung kam und so laut durchs Haus donnerte, dass die Böden ächzten.
Dieses Mal versteckte sich Mia nicht vor dem Getümmel im Fernsehzimmer. Sie hatte sich nicht in ihrem Zimmer eingeschlossen, um sich Die kleine Meerjungfrau, Die Schöne und das Biest oder einen anderen tröstlichen Disney-Film anzusehen. Sie war am Strand und saß zusammen mit Lexi im Sand. Sie hatten eine dicke Wolldecke um sich geschlungen und saßen so eng beieinander, dass ihre dunklen
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