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Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Scots Kanzlei. Sie schloss auf und ging hinein. Jetzt wollte sie nur noch schlafen. Oder schreien.
    »Lexi? Sind Sie das?«
    Sie seufzte und zwang sich zu lächeln. Schließlich verdankte sie Scot alles, es war nicht seine Schuld, dass sie eine erbärmliche Versagerin war. »Hey, Scot«, sagte sie und ging zu seinem Büro. »Sie arbeiten aber lange.«
    »Ich habe auf Sie gewartet, weil ich eine Überraschung habe. Kommen Sie mit.«
    Er nahm sie bei der Hand und führte sie in den Konferenzraum. Auf dem langen Holztisch stand ein aufgeklappter Laptop. »Hier«, bat er, »setzen Sie sich.«
    Lexi gehorchte.
    Scot verließ das Zimmer und kehrte kurz darauf zurück. »Alles klar, wir sind bereit.« Er drückte einen Knopf auf dem Laptop, und plötzlich erschien Tante Evas besorgtes Gesicht auf dem Monitor. »Ich weiß nicht, Babs. Woran merkt man, dass es klappt?«
    Für Lexi war der Anblick ihrer Tante wie ein Lebenselixier. Sie spürte, wie ihr eine Last von der Brust wich. Zum ersten Mal seit Stunden konnte sie lächeln. Sie war nicht so allein, wie sie gedacht hatte. »Hey, Tante Eva«, sagte sie und beugte sich vor.
    »Sie ist da, Barbara!« Eva fing an zu strahlen. »Komm, und sieh selbst! Das ist meine Lexi.«
    Meine Lexi.
    Dann beugte sich eine korpulente Frau mit stahlgrauem Lockenkopf vor und lächelte in die Kamera. »Hallo, Alexa. Meine Schwester redet ständig von dir.«
    »Hey, Barbara«, flüsterte Lexi, weil die Gefühle sie überwältigten.
    Barbaras Gesicht verschwand wieder, und Eva beugte sich näher zum Monitor. Sie wirkte verändert, älter; ihre Haut war noch faltiger, aber tief gebräumt, und ihr Haar war jetzt schneeweiß. »So, und jetzt erzähl mir alles, Lexi!«
    Scot verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    »Ich habe Gracie gesehen«, begann Lexi. Das kam ihr als Erstes in den Sinn.
    »Wie ist sie?«
    »Hinreißend. Traurig. Einsam.«
    »Oh. Das ist bestimmt hart zu sehen.«
    »Alles ist hart, Tante Eva. Ich wollte überhaupt nicht hierherkommen, weil ich wusste, es würde hart werden. Aber jetzt bin ich hier, und alles ist eine Katastrophe.«
    »Du hast doch bestimmt auch deinen jungen Mann gesehen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    Lexi zuckte mit den Schultern. »Es ist viel Zeit vergangen.«
    »Du siehst müde aus, Lexi.«
    »Ich hab einen schlimmen Tag hinter mir. Es ist ziemlich schwer, einen Job und eine Wohnung zu finden. Vielleicht sogar unmöglich.«
    »Du bist doch gerade erst entlassen worden, Lexi. Vielleicht kommst du erst mal nach Hause und lässt dich verwöhnen. Barb und ich haben ein Zimmerchen, das nur auf dich wartet. Du könntest hier unten einen Job bekommen und dein Geld sparen. Floyd vom Schönheitssalon würde dich liebend gerne einstellen. Zum Terminemachen und Putzen. Da du keine Miete zahlen musst, hättest du in null Komma nichts ein hübsches Sümmchen angespart.«
    Nach Hause.
    Lexi musste sich eingestehen, dass es ein verlockendes Angebot war. Sie sehnte sich danach, irgendwo erwünscht zu sein. »Aber ich kann doch Grace nicht schon wieder alleinlassen! Das würde sie mir nie verzeihen.«
    »Du weißt doch, wie schwer es für ein Kind ist, eine Momma zu haben, die nicht bereit dazu ist. Nimm dir ein bisschen Zeit für dich selbst. Komm erst mal wieder zu Kräften, und geh dann zu deiner Tochter zurück. Geh zurück, wenn du dir ein eigenes Leben aufgebaut hast. Das wäre das Vernünftigste.«
    »Das Vernünftigste«, wiederholte Lexi widerstrebend, obwohl sie wusste, dass ihre Tante recht hatte. Jetzt würde sie Grace nur verwirren. Wie sollte sie eine gute Mutter sein, wenn sie nicht mal ihr eigenes Leben in Ordnung bringen konnte? Grace verdiente etwas Besseres; sie verdiente ein stabiles Umfeld. Lexi wusste, wie es war, mit einer Mutter zu leben, auf die man nicht bauen konnte. Sicher und geborgen konnte man sich da nicht fühlen.
    »Alexa.«
    Sie lächelte so überzeugend wie möglich. Sie wollte jetzt nicht mehr darüber sprechen. Es brach ihr das Herz. »Und, wie geht es dir? Warst du je in einem dieser Strickkurse?«
    »Gott, ja«, antwortete Eva lachend. »Barbara und ich haben genug Decken, um ein ganzes Motel damit zu bestücken. Wenn du zu uns kommst …«
    Die Aussicht aus dem zweiundvierzigsten Stock war trist an diesem verregneten Junitag. Rechts von ihr ragte die Space Needle empor, ein schwarzweißes Ufo vor einem trüb-grauen Himmel.
    Jude stand am Fenster und sah ihr schemenhaftes Spiegelbild. Sie versuchte, ganz still zu stehen, ruhig zu

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