Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
aufs Bett. Als sie aufblickte, schimmerten Tränen in ihren Augen, und ihre Lippen zitterten. »Warum bist du in jener Nacht gefahren?«
Lexi war dankbar über diese schlichte, aufrichtige Frage. »Das hab ich mich selbst schon tausendmal gefragt. Zach war vollkommen dicht, und Mia auch. Keiner von beiden konnte sich noch richtig auf den Beinen halten. Sie wollten dich aber nicht anrufen. Es war so spät, und sie waren wirklich sehr betrunken.« Sie zögerte. »Ich wollte dich auch nicht anrufen. Ich sehnte mich so sehr danach, von dir geliebt zu werden … und dann setzte sich Zach ans Steuer. Das konnte ich nicht zulassen.«
»Warum hab ich euch überhaupt zur Party gelassen? Ich wusste doch, dass es dort Alkohol gab. Und dann hab ich Zach auch noch fahren lassen!«
Lexi ging zum Bett. Sie fühlte sich wie eine Neunzigjährige mit steifen Gelenken und wässrigen Augen. Sie setzte sich neben Jude. »Es ist meine Schuld, Jude. Ganz allein meine.«
Jude schüttelte langsam den Kopf. »Das wollte ich glauben, nicht wahr?«
»Es ist die Wahrheit.«
»Ich versuche, in letzter Zeit etwas ehrlicher zu sein. Ich weiß, du liebst Grace. Liebst du Zach immer noch?«
»Ich hab versucht, ihn nicht mehr zu lieben. Ich versuche es immer noch.«
»Du solltest mit ihm reden.«
»Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.«
»Er wird bald hier sein. Sprich mit ihm. Sag ihm, was du empfindest.«
Angesichts dieser Freundlichkeit verlor Lexi fast die Fassung. Es erinnerte sie an die vielen Gespräche, die sie im Laufe der Jahre mit Jude geführt hatte, an die Momente, in denen sie sich wie Mutter und Tochter verhalten hatten. Jude zuliebe hatte Zach sie zum Ball eingeladen, wo alles angefangen hatte. »Sie hatten solches Glück, dich zu haben, Jude. Und sie wussten es. Mia hat dich sehr geliebt.«
»Ich vermisse ihre Stimme.«
Lexi rutschte vom Bett, kroch darunter und tastete am Lattenrost, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Sie nahm es, kroch unter dem Bett hervor, setzte sich auf die Fersen und hielt Jude ein kleines rosafarbenes Tagebuch mit einer orangefarbenen Lilie hin.
»O mein Gott«, hauchte Jude und streckte die Hand aus. »Ihr Tagebuch.«
Lexi legte es in ihre Hände und stand auf. »Ich gehe jetzt. Sag … Zach, ich würde Grace einmal die Woche anrufen und noch öfter schreiben.«
Jude starrte auf das Tagebuch und strich so ehrfürchtig darüber, als wäre es ein Stück kostbarer Seide. »Was? Wieso?«
»Ich hab noch etwas Wichtiges zu tun, bevor ich aufbreche.« Lexi war sich nicht mal sicher, ob Jude ihr zuhörte. »Einen Abschied nachholen, den ich schon vor Jahren hätte hinter mich bringen sollen. Aber Jude – zeig Grace deine Liebe, ja? Sie braucht dich.«
S IEBENUNDZWANZIG
Mias Tagebuch.
All die Jahre war es hier gewesen und hatte auf sie gewartet. Jude fuhr mit den Fingerspitzen über das angelaufene Messingschloss und öffnete dann ganz langsam das Buch.
Eigentum von Mia Farraday. Persönlich. Vertraulich. Ja, Zach, das gilt für Dich!
Liebes Tagebuch,
ich habe Angst. Darf ich das schreiben? Ich weiß, damit stehe ich blöd da. Aber das ist Dir doch egal, Tagebuch, oder?
In der Highschool redet kein Mensch mit mir. Mom meint, hier würde es besser als auf der Mittelschule, aber so was sagt sie ständig. Woher soll sie wissen, wie es für mich ist? Sie war Cheerleaderin und wahrscheinlich auch Schulballkönigin. Was hätte sie getan, wenn Maribeth Astor sie Pizzaface genannt hätte?
Wenn ich doch nur nicht geweint hätte. Das hat alles noch schlimmer gemacht.
Und jetzt muss ich in der Klasse wahrscheinlich sogar neben ihr sitzen.
Scheiße!
Früher war alles leicht. Was ist bloß passiert? In der Grundschule hatte ich jede Menge Freunde. Gut, vielleicht waren es eigentlich Zachs Freunde, aber wir haben alle zusammengespielt, und ich wusste nicht, dass mit mir was nicht stimmt. Aber jetzt weiß ich es. Weiß Gott!
Madre ruft uns zum Frühstück. Die wichtigste Mahlzeit des Tages. Ja, ja.
Versager: Ende.
Du wirst nicht GLAUBEN , was heute passiert ist! Aber ich schreibe alles auf, damit ich nichts vergesse.
Zunächst einmal hatte Mom unrecht, was die Highschool betrifft. Zumindest am Anfang. Ich ging mit Zach in die Schule, und obwohl er meine Hand hielt, war ich wie unsichtbar. Gut, vielleicht hätte ich nicht das rosafarbene Tutu und die Chucks tragen sollen, aber ich bin eben anders als andere Mädchen. Das wissen sie, und das weiß ich. Die Kleider helfen, sie von mir
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