Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
nicht. Mir geht’s gut. Alles ist gut.«
»Na dann.« Mia glaubte ihr. Und dadurch fühlte Lexi sich noch schlechter. »Bis später.«
Lexi ging in die Eisdiele. Sie war hell erleuchtet, hatte eine große Eistheke aus Glas und Chrom und einen kleinen Bereich mit Tischen und Stühlen. In den Sommermonaten war hier immer viel los, aber jetzt, Mitte Oktober, war kaum jemand da.
Als Lexi eintrat, stand ihre Chefin an der Kasse. Eine Glocke über dem Eingang ertönte.
»Hey, Lexi«, grüßte Mrs Solter sie fröhlich. »Wie war dein Ball?«
Lexi rang sich ein Lächeln ab. »Toll. Hier, ich hab Ihnen ein paar Perlenketten mitgebracht.« Sie hielt ihr die Mardi-Gras-Perlen hin. Mrs Solter griff begierig danach und strahlte.
»Vielen Dank, Lexi. Sehr aufmerksam von dir.« Sofort legte sie sich die Ketten um den Hals.
Den Rest des Tages kümmerte sich Lexi um die spärliche Kundschaft. Um neun Uhr, als fast niemand mehr kam, fing sie an, die Theke zu reinigen und alles fürs Schließen vorzubereiten. Gerade kam sie mit Glasreiniger und Spültuch aus dem Hinterzimmer, als Zach die Eisdiele betrat.
Über ihm klingelte fröhlich die Glocke, doch das hörte sie kaum, so dröhnte ihr Herzschlag in ihren Ohren.
Er kam niemals allein hierher. Amanda war ständig bei ihm und klebte an ihm wie eine Klette. Lexi schlüpfte hinter die Theke, um sich zu verschanzen.
»Hi«, sagte er und kam zu ihr.
»Hi. Willst du … ein Eis?«
Er sah sie durchdringend an. »Komm heute Abend in den LaRiviere Beach Park.«
Noch bevor sie antworten konnte, klingelte die Glocke erneut, und die Tür flog auf. Amanda stürzte herein, stellte sich neben Zach und legte ihren Arm wie einen Tentakel um ihn. »Hey, Lexi. Danke, dass du für mich auf Zach aufgepasst hast. Beim Ball, meine ich.«
Sosehr sich Lexi auch bemühte, jetzt brachte sie kein Lächeln mehr zustande. »Wollt ihr ein Eis?«
»Auf keinen Fall. Davon wird man fett«, erwiderte Amanda. »Komm jetzt, Zach. Wir gehen.« Sie ging zur Tür.
Zach blieb, wo er war. Zehn Uhr , sagte er lautlos. Bitte.
Lexis Herz begann heftig zu schlagen, als sie sah, wie er seiner Freundin aus der Eisdiele folgte.
Zehn Uhr.
Sie würde sich zum Narren machen, wenn sie glaubte, dass er sich wirklich mit ihr am Strand treffen wollte. Er ging mit Amanda, der menschlichen Klette. Sie waren das beliebteste Pärchen der ganzen Schule.
Und wenn Mia es herausfand, würde sie außer sich sein. Ein Kuss beim Ball war eine Sache, verständlich, fast zu erwarten. Aber sich heimlich mit ihm zu treffen war eine andere. Ein größerer Betrug.
Das konnte Lexi nicht. Sie durfte es nicht.
Sie warf einen Blick zu ihrer Chefin. Tu’s nicht, Lexi. »Äh, Mrs Solter? Könnte ich vielleicht ein paar Minuten früher gehen? Vielleicht um zehn vor zehn?«
»Aber ja, das schaffe ich schon allein. Hast du ein heißes Date?«
Lexi hoffte, dass ihr Lachen nicht so nervös klang, wie sie sich fühlte. »Hab ich je ein heißes Date gehabt?«
»Dann kann ich nur sagen, dass die Jungs an deiner Schule blind sein müssen.«
Die restlichen Minuten bis zum Feierabend verdrängte Lexi, was sie vorhatte. Sie konzentrierte sich nur auf die Arbeit und versuchte, ihr Bestmögliches zu geben. Erst als sie die Eisdiele verlassen hatte, wurde sie richtig nervös.
Sie war eine Närrin. Trotzdem ging sie weiter.
Auf der Main Street war an diesem kühlen Herbstabend kaum noch etwas los. Zwar sah man in den Restaurants Licht, aber nur wenige Gäste.
Sie kam am hell erleuchteten Supermarkt vorbei und ging immer weiter, vorbei am Fährhafen, am Immobilienmakler und an der Grundschule. Fünf Minuten später hatte sie schon den Ortsrand erreicht. Hier war der Himmel tiefschwarz. Nur der Mond leuchtete über den Wipfeln der riesigen Bäume. Hier, so weit draußen, gab es nur wenige Häuser, die meisten waren Ferienhäuser für Leute aus Seattle, und deren Fenster waren alle dunkel.
Am Eingang zum LaRiviere Beach Park zögerte sie.
Er würde nicht da sein.
Dennoch folgte sie der gewundenen Straße hinunter zum Strand. Mondlicht fiel auf den riesigen Stapel Treibholz, der sich auf dem groben grauen Sand türmte.
Auf dem Parkplatz sah man keinerlei Wagen.
Natürlich nicht.
Sie ging zum Strand. Das Treibholz – ganze Baumstämme, die ans Ufer gespült und sich ineinander verkeilt hatten – lag wie gigantische Mikadostäbe auf dem Sand. Eine hell erleuchtete Fähre tuckerte über den Sund und wirkte vor dem schwarzen Wasser wie eine
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