Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
chinesische Laterne. Dahinter sah man die Skyline von Seattle wie ein buntes Diadem.
»Du bist gekommen.«
Als sie Zachs Stimme hörte, drehte sie sich um. »Ich hab deinen Wagen nicht gesehen.« Etwas anderes war ihr nicht eingefallen zu sagen.
»Er steht am Ende vom anderen Parkplatz.«
Er nahm ihre Hand und ging mit ihr zu einer Stelle, wo er eine Decke auf dem Sand ausgebreitet hatte.
»Du bist wohl nicht das erste Mal hier«, sagte sie nervös. Damit wollte sie sich selbst daran erinnern. Was für sie etwas Besonderes war, war für ihn ganz normal.
Er setzte sich und zog sie sanft neben sich. Sie entzog ihm sofort ihre Hand. Sie konnte nicht klar denken, wenn er sie berührte, und sie musste klar denken. Dies war der Bruder ihrer besten Freundin.
»Sieh mich an, Lexi. Bitte«, sagte er. Sie konnte seiner Bitte nicht widerstehen. Er strich ihr eine Locke hinter das Ohr. So zärtlich war sie noch nie berührt worden. Am liebsten hätte sie geweint. »Ich weiß, wir sollten nicht zusammen sein. Aber möchtest du es nicht?«
»Ich darf nicht«, erwiderte sie leise. Sie schloss die Augen, weil sie ihn nicht mehr ansehen konnte. In der Dunkelheit hörte sie seinen Atem, spürte ihn an ihren Lippen, aber sie konnte nur daran denken, wie oft ihr schon weh getan worden war. Sie dachte an ihre drogensüchtige Mom, die ihr ständig gesagt hatte, wie sehr sie sie liebte. Sie hatte Lexi so fest an sich gedrückt, dass sie kaum Luft bekam, und dann war plötzlich alles anders gewesen. Ihre Mom wurde sauer, stürmte davon und vergaß, dass sie überhaupt eine Tochter hatte. Die einzige glückliche Zeit vor Pine Island war die gewesen, als ihre Mom im Gefängnis war. Damals war Lexi bei den Rexlers gewesen, einer netten Familie, die ihr immer das Gefühl vermitteln wollte dazuzugehören. Und dann war ihre Mutter zurückgekommen.
Normalerweise versuchte Lexi, nicht an die letzten Tage mit ihrer Mutter zu denken. Damals war Momma die ganze Zeit high gewesen, und wütend und gemein. Da hatte Lexi erfahren, wie schnell Liebe in Hass umschlagen und wie sehr sie einen aufzehren konnte.
»Mias Freundschaft ist das Wichtigste für mich«, sagte sie und sah Zach schließlich an. Sie merkte, wie verletzt er war. Da begriff sie endlich: All seine Ablehnung, seine Ausweichmanöver waren nur Verstellung gewesen. »Du hast wegen Mia so getan, als würdest du mich nicht mögen.«
»Direkt am ersten Tag«, gestand er seufzend, »wollte ich mich mit dir verabreden, aber da warst du schon Mias Freundin. Also wahrte ich Abstand … ich versuchte es wenigstens. Aber richtig ist es mir nie gelungen. Und als du dann versucht hast, mich zu küssen …«
Lexi hatte das Gefühl, ihr Herz wollte die Flucht ergreifen. Wie war es möglich, dass man gleichzeitig so glücklich und so traurig sein konnte? »Wir dürfen nicht mehr darüber sprechen. Wir sollten es einfach vergessen. Ich könnte es nicht ertragen, Mia oder deine Familie zu verlieren. Wirklich, ich könnte es nicht. Ich bin schon zu oft verletzt worden, weißt du?«
»Meinst du nicht, daran hätte ich auch schon gedacht?«
»Zach, bitte …«
»Ich kann jetzt nicht mehr aufhören, Lex. Ich denke seit drei Jahren an dich. Wenn du meinen Kuss nicht erwidert hättest, dann … vielleicht …«
»Das durfte ich nicht.«
»Aber du hast es getan.«
»Es ging nicht anders.« Sie konnte ihn nicht anlügen. Wie auch? Sie hatte ihn von der ersten Sekunde an geliebt. Sie fing an zu lächeln, doch dann dachte sie an ihre Zähne und biss sich auf die Lippe.
»Ich liebe dein Lächeln.« Er beugte sich zu ihr. Sie spürte, wie er immer näher kam, roch den Pfefferminzgeruch seines Atems.
Ihr Kuss begann ganz sanft und langsam. Sie spürte, wie seine Zunge über ihre strich, und ihr Herz fing an zu flattern. Als er sie in die Arme nahm, kapitulierte sie und gab nach. Der Kuss dauerte und dauerte und wurde immer intensiver, bis sie dachte, sie würde es nicht ertragen, wenn er je aufhörte. Hinter ihnen schlugen die Wellen rauschend ans Ufer, gleichmäßig, wie im Takt. Wie der Takt zu ihrem Song. Wie ihr ganz persönlicher Song.
Tief in ihrem Inneren erwachte das Verlangen und breitete sich aus wie ein kribbelnder, leichter Schmerz. Sie fing so heftig an zu zittern, dass er sich von ihr löste und sie ansah. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Nein, wollte sie sagen, ganz und gar nicht, doch als sie sich selbst in seinen Augen sah, war sie verloren. Sie wollte ihn mit einer Heftigkeit, die
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