Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
sie erschreckte. Es war gefährlich, überhaupt etwas zu wollen, doch nichts war gefährlicher, als seine Liebe zu wollen. »Mir geht’s gut«, log sie. »Mir ist nur kalt.«
Er zog sie in die Arme. »Können wir uns morgen wieder hier treffen?«
Sie gerieten in gefährliches Fahrwasser. Sie sollte ihn stoppen und ihm erklären, dass ihre Liebe zu nichts führte und sie sie beenden müssten. Und zwar jetzt, solange sie es noch konnten. Sie sollte ihn abweisen, ihm erklären, dass sie ihre Freundschaft mit Mia nicht gefährden wollte, aber als sie ihn ansah, fehlte ihr die Kraft dazu. Zach bewirkte, dass der ewige Schmerz in ihrem Inneren aufhörte.
Gefährlich, Lexi, dachte sie, sag nein. Denk an deine beste Freundin, an das, was wirklich wichtig ist. Doch als er sie wieder küsste, flüsterte sie: »Ist gut.«
S ECHS
Jude saß mit ihrem Mann im Bett und hörte mit halbem Ohr auf die Spätnachrichten. Eine edle Daunendecke mit Seidenbezug umschwebte sie wie eine Wolke. In den letzten Tagen – genauer gesagt, seit dem Ball – gab ihr Mommy-Radar ein starkes Signal ab. Etwas stimmte nicht mit Zach, und sie wusste nicht, was. Nichts beunruhigte sie mehr, als nicht über die neuesten Entwicklungen ihrer Kinder informiert zu sein. »Zach hat mit Amanda Schluss gemacht«, sagte sie schließlich.
»Aha«, erwiderte Miles.
Sie sah ihn an. Wie kam es, dass er sich keinerlei Sorgen zu machen schien, ganz gleich, welches Drama sich hier im Haus abspielte? Er warf ihr vor, wie ein Helikopter ihre Kinder zu umfliegen, viel Lärm und Auftrieb um nichts. Aber wenn das stimmte, war er ein Satellit, der so weit oben im Himmel positioniert war, dass er die Entwicklungen in seinem eigenen Heim nur noch mit einem starken Teleskop mitbekam. Vielleicht hatte er das seiner Ausbildung zu verdanken. Er hatte ein bisschen zu gut gelernt, seine Gefühle zu unterdrücken. »Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
»Ich hätte auch noch weniger dazu sagen können. Schließlich ist das nichts Neues.«
»Molly sagt, Bryson sagt, Zach würde sich nach dem Footballtraining komisch benehmen. Ich glaube, die Trennung setzt ihm mehr zu, als es den Anschein hat. Du solltest mal mit ihm reden.«
»Ich bin ein Mann. Er ist ein pubertierender Junge. Die Paarung ist nicht gerade günstig.« Miles lächelte sie an. »Nur zu.«
»Was denn?«
»Du brennst doch darauf, ihn zu fragen, was los ist. Du kannst einfach nicht anders. Also: nur zu. Hör ihm einfach zu, und glaube ihm, wenn er sagt, Amanda würde ihm nichts bedeuten. Er ist siebzehn. Als ich siebzehn war …«
»Deine wilde Vergangenheit ist mir kein Trost.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und kletterte über ihn hinweg aus dem Bett. »Ich bin gleich zurück.«
»Das ist mir schon klar.«
Lächelnd verließ Jude das Schlafzimmer.
Im zweiten Stock war alles hell erleuchtet. Wie üblich hatte keins ihrer intelligenten Kinder die nötige Auge-Hand-Koordination zustande gebracht, um den Lichtschalter zu betätigen. Vor Mias Tür blieb sie stehen und lauschte. Sie hörte, dass ihre Tochter telefonierte. Sicher sprach sie mit Lexi oder Tyler.
Jude ging weiter zu Zachs Zimmer. Vor der geschlossenen Tür hielt sie inne. Sie würde ihn weder mit Fragen bombardieren noch mit guten Ratschlägen. Dieses Mal würde sie nur zuhören.
Als sie klopfte, kam keine Reaktion. Wieder klopfte sie, dann öffnete sie die Tür.
Er saß auf seinem Game-Chair und fuhrwerkte mit dem Controller, als wäre er ein Kampfpilot – was er auf dem Bildschirm auch war.
»Hey, du.« Sie trat zu ihm. »Was machst du da?«
»Ich will das Level schaffen.«
Sie setzte sich neben ihn auf den schwarzen Teppich. Dieses Zimmer war einmal von einem Innenarchitekten gestaltet und im Laufe der Jahre von Zach umdekoriert worden. Die teure schokoladenbraune Tapete war mit Filmplakaten überklebt worden. Die Bücherregale waren wie eine archäologische Ausstellung seiner Kindheit: ein Friedhof für Actionfiguren und ineinander verkeilte Plastikdinosaurier, Stapel mit leeren Videospielhüllen, ein Comic mit Eselsohren und die sieben Harry-Potter-Bände.
Am liebsten hätte sie gefragt: Können wir reden? , aber für einen männlichen Teenager wäre das (wie für die meisten Männer) gleichbedeutend gewesen mit Kann ich dir deine Eingeweide herausreißen?
»Lass mich raten«, bemerkte Zach. »Du glaubst, ich würde Drogen nehmen? Oder Graffiti sprayen? Vielleicht machst du dir auch Sorgen, ich wäre ein Mädchen, gefangen im
Weitere Kostenlose Bücher